Gewi?heit sehr nahe. Wahrend eine Unsterblichkeit aus verschiedenen physiologischen Grunden heraus ausgeschlossen werden konnte, hatten die Testergebnisse allerdings immerhin bewiesen, da? der Patient uber ein sehr langes Leben verfugen mu?te oder sich hin und wieder Verjungungskuren unterzogen hatte.

Schlie?lich gab es noch Priliclas Aussagen uber den emotionalen Zustand des Patienten, und zwar vor und wahrend der Behandlungsversuche der erkrankten Hautpartien. Laut Prilicla hatte der Patient dabei die ganze Zeit Gefuhle der Verwirrung, Angst und Hilflosigkeit ausgestrahlt. Nach Erhalt der zweiten Injektion hatte der EPLH jedoch wild um sich geschlagen, und nach Priliclas eigenen Worten hatte er aufgrund des vehementen Gefuhlsausbruchs des Patienten fast selbst einen Gehirnschlag erlitten. Jedenfalls war es ihm unmoglich gewesen, einen solch gewaltigen Gefuhlsausbruch zu analysieren, zumal er sich innerlich auf die zuvor ruhigere emotionale Ausstrahlung des Patienten eingestellt hatte. Doch immerhin stimmte er mit Conways Meinung uberein, da? die Umstande auf ein hochst schizoides Verhalten des EPLH schlie?en lie?en.

Conway sank noch tiefer in seinen Sessel zuruck, schlo? die Augen und lie? die Einzelteile des Puzzles in Gedanken langsam zusammenwachsen.

Alles hatte seinen Anfang auf dem Planeten genommen, auf dem sich der EPLH zur dominanten Lebensform entwickelt hatte. Im Laufe der Zeit waren diese Wesen zu einer Zivilisation herangereift, die es bis zu interstellaren Raumflugen und zu einer hochentwickelten medizinischen Wissenschaft gebracht hatte. Ihre von Natur aus hohe Lebenserwartung war zudem kunstlich verlangert worden, so da? man es einer relativ kurzlebigen Spezies wie den Ianern nicht verubeln konnte, die EPLHs fur unsterblich zu halten. Fur ihre hohe Lebenserwartung hatten diese Wesen allerdings einen ebenso hohen Preis zahlen mussen: Die Erhaltung der eigenen Art — das naturliche Streben nach Unsterblichkeit aller sterblichen Wesen also — war als erstes eingestellt worden. Dann hatte sich ihre Gesellschaft — fast gezwungenerma?en — in eine Unzahl raumreisender Einzelwesen aufgelost, was schlie?lich zu einem seelischen Verfall fuhrte, zumal das Risiko des rein korperlichen Verfalls praktisch nicht mehr existierte.

Was fur bedauernswerte Halbgotter, dachte Conway.

Sie vermieden die Gesellschaft ihrer Artgenossen aus dem einfachen Grund, weil sie sich gegenseitig satt hatten — jahrhundertelang das Gehabe der anderen, deren Sprache und Meinungen und zudem fortwahrend deren Anblick ertragen zu mussen, schien unendlich langweilig zu sein. Weil sie fortwahrend gegen diese Langweile anzukampfen hatten, und weil sie uber ein enormes Wissen und unendlich viel Zeit verfugten, hatten sie sich die Losung schwerwiegender gesellschaftlicher Probleme anderer Spezies zur Aufgabe gemacht. Dabei kummerten sie sich als grundsatzlich friedfertige Wesen in erster Linie um ruckstandige oder auf Abwege geratene planetarische Zivilisationen, bis diese aus eigener Kraft in der Lage waren, eine ahnlich hochstehende Kultur wie die ihre zu erreichen. Da ihre enorm hohe Lebenserwartung ihnen zudem eine immer gro?er werdende Furcht vor dem Tode einflo?en mu?te, wurden sie stets von einem Leibarzt begleitet, der ihren zweifellos sehr hohen medizinischen Anspruchen genugen mu?te.

Nur ein Teil des Puzzles schien nicht passen zu wollen — namlich die merkwurdige Art, in der sich der EPLH gegen die Behandlungsversuche gewehrt hatte. Doch war Conway davon uberzeugt, es musse sich hierbei um ein rein psychologisches Problem handeln, das sich auch bald klaren lie?e. Entscheidend war nur, da? er jetzt wu?te, wie er von nun an vorzugehen hatte.

Entgegen Thornnastors Behauptungen sprach eben doch nicht jeder Patient auf eine medikamentose Behandlung an, und Conway hatte sofort einen operativen Eingriff durchgefuhrt, wenn die ganze Geschichte nicht zu so abwegigen Uberlegungen gefuhrt hatte, wer oder was der Patient eigentlich war und welche Tat man ihm uberhaupt vorwarf. Der Umstand, da? der EPLH ein Halbgott und ein Morder sein sollte oder ganz generell jemand, mit dem es nicht zu spa?en galt, waren unwichtige Begleitumstande, die ihn eigentlich nichts angingen.

Seufzend schwang er die Beine vom Schreibtisch; er hatte sich in dieser bequemen Lage allmahlich zu wohl gefuhlt und beschlo?, lieber ins Bett zu gehen, denn fast ware er im Sessel eingeschlafen.

Am nachsten Morgen bereitete Conway gleich nach dem Fruhstuck alles fur die Operation des EPLH vor. Dazu forderte er die notwendigen Instrumente und Gerate an und erteilte die strikte Anweisung, da? der Beobachtungsraum vollig steril gehalten werden musse — immerhin wurde dem Patienten unterstellt, bereits einen Arzt wegen mangelnder Sorgfaltspflicht getotet zu haben, und der EPLH wurde bestimmt alles andere als begeistert sein, wenn er sich durch nachlassige Hygienema?nahmen eines anderen Arztes eine Infektion zugezogen hatte. Zudem bat Conway einen tralthanischen Arzt, ihm bei den mikrochirurgischen Feinarbeiten zu assistieren, und suchte schlie?lich eine halbe Stunde vor Beginn der Operation O’Mara auf.

Der Chefpsychologe horte sich zunachst kommentarlos an, was Conway zu berichten hatte, und auch das, was dieser zu planen gedachte.

„Wissen Sie eigentlich, was es fur unser Hospital hei?en kann, wenn dieser Kannibale hier frei herumlauft, Conway?“ fragte er schlie?lich besorgt. „Und das meine ich nicht nur im rein physischen Sinn. Nach Ihrer Darstellung ist der Patient psychisch stark gestort, wenn nicht sogar regelrecht psychotisch. Im Augenblick ist er bewu?tlos, aber Ihren Worten nach mu?te er uber ein solch enormes psychologisches Wissen verfugen, da? er uns dazu bringen konnte, ihm aus der Hand, oder besser, aus den Tentakeln zu fressen. Am meisten beschaftigt mich die Frage, was passiert, sobald er aufwacht.“

Es war das erstemal, da? O’Mara vor Conway zugab, besorgt zu sein. Allerdings soll er vor einigen Jahren, als ein au?er Kontrolle geratenes Raumschiff mit dem Hospital kollidiert war, wobei es sechzehn Stockwerke in Mitleidenschaft gezogen hatte, vor anderen Mitarbeitern des Orbit Hospitals eine ahnliche Besorgnis ausgedruckt haben.

„Daruber denke ich lieber erst gar nicht nach. Das lenkt vom aktuellen Problem nur noch mehr ab“, bemerkte Conway etwas kleinlaut.

O’Mara atmete tief ein und schnaubte die angestaute Luft langsam durch die Nase wieder aus — eine Marotte von ihm, mit der er seinem Gegenuber mehr klarmachen konnte, als mit jeder noch so vernichtenden verbalen Standpauke. „Irgend jemand sollte sich aber daruber Gedanken machen, Doktor. Ich hoffe, Sie haben nichts dagegen einzuwenden, wenn ich bei der bevorstehenden Operation zuschaue, oder?“

Auf diesen in hofliche Worte gefa?ten Befehl blieb Conway nichts anderes ubrig, als ebenso hoflich zu antworten: „Es ware mir sogar eine gro?e Ehre, Sir.“

Als sie im Beobachtungsraum eintrafen, war das „Bett“ des Patienten, den man mit dicken Riemen uberall fest angeschnallt hatte, bereits auf eine bequeme Operationshohe eingestellt worden. Der Tralthaner hatte seinen Platz neben den Uberwachungs- und Anasthesiegeraten eingenommen und beobachtete mit einem Auge den Patienten und mit einem anderen die Anzeigeinstrumente. Die beiden restlichen Augen waren auf Prilicla gerichtet, mit dem er sich genu?lich uber die schlupfrigen Einzelheiten eines besonders gepfefferten Skandals unterhielt, der erst tags zuvor ans Licht gekommen war. Da es sich bei den beiden Betroffenen um PVSJ-Chloratmer handelte, hatte diese Affare fur sie eigentlich nur von rein akademischem Interesse sein konnen, aber offensichtlich war dieses akademische Interesse sehr ausgepragt. Beim Anblick von O’Mara stellten sie ihren Klatsch allerdings umgehend ein, und Conway gab das Zeichen, mit der Narkose zu beginnen.

Die Pathologie hatte das Anasthetikum als unbedenklich fur die EPLH-Spezies bezeichnet, und wahrend es verabreicht wurde, beschaftigten sich Conways Gedanken kurz mit seinem tralthanischen Assistenten.

Ein tralthanischer Chirurg setzte sich in Wirklichkeit aus zwei Wesen zusammen, namlich aus einem FGLI und einem OTSB. Auf dem lederartigen Rucken des elefantenahnlichen Tralthaners haftete ein winziges und mit nur geringer Intelligenz ausgestattetes Wesen, das mit dem FGLI in Symbiose lebte. Auf den ersten Blick wirkte der OTSB wie ein kleiner Pelzball, aus dem so etwas wie ein relativ langer Pferdeschwanz hervorragte. Bei genauerem Hinsehen konnte man aber erkennen, da? sich der vermeintliche Pferdeschwanz aus dunnen, drahtahnlichen Tentakeln zusammensetzte, von denen die meisten mit winzigen Augen und Saugnapfen besetzt waren. Da Wirt und Parasit stets miteinander in Verbindung standen, waren die FGLIs in der Kombination mit diesen kleinen OTSBs die besten Chirurgen der Galaxis. Zwar gingen nicht alle Tralthaner eine solche Symbiose ein, aber die Arzte unter ihnen trugen ihre OTSBs auf dem Rucken mit sichtlichem Stolz wie ein hohes Rangabzeichen.

Plotzlich huschte der kleine OTSB uber den Rucken seines Wirts und verharrte direkt zwischen den vier Stielaugen des kuppelformigen Kopfs des FGLI. Der Tralthaner war also bereit.

„Wie man noch sehen wird, ist nur die Oberflachenhaut von der Krankheit betroffen“, sagte Conway, um seiner Protokollpflicht genuge zu tun, da die gesamte Operation von automatischen Kameras aufgezeichnet wurde. „Die gesamte Haut sieht sprode und ausgetrocknet aus und blattert an einigen Stellen bereits ab. Bei der Entnahme der ersten Hautproben traten keine Schwierigkeiten auf, aber bei spateren Entnahmen bin ich bis zu

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