einem gewissen Grad auf Widerstand gesto?en, was an winzigen Wurzelfasern von wenigen Millimetern Lange lag, die, jedenfalls was meine Sehfahigkeiten anbelangt, mit blo?em Auge kaum zu erkennen waren. Es liegt also auf der Hand, da? die Krankheit in eine neue Phase eintritt. Sie dringt allmahlich von der Oberhaut tiefer nach innen, und je eher wir etwas dagegen unternehmen, desto besser.“

Conway gab das gemeinsame Aktenzeichen des Pathologieberichts und der von ihm selbst erstellten Voruntersuchungsergebnisse an und fuhr dann fort: „Da der Patient aus fur uns bis jetzt noch unerfindlichen Grunden auf eine medikamentose Behandlung nicht anspricht, werde ich jetzt die befallenen Hautpartien operativ entfernen und dann die betroffenen Stellen ausspulen und reinigen und durch kunstliche Haut ersetzen. Zudem wird ein von einem Tralthaner angeleiteter OTSB eingesetzt, um sicherzustellen, da? auch wirklich samtliche Wurzelfasern herausgeschnitten werden. Da fast die gesamte Hautoberflache betroffen ist, wird es sich zwar um einen recht langen Eingriff handeln, die Operation selbst durfte aber relativ unkompliziert verlaufen.“

„Entschuldigung, Doktor“, unterbrach ihn Prilicla, „aber der Patient ist noch immer bei Bewu?tsein.“

Im Nu brach zwischen dem Tralthaner und dem Empathen ein heftiger Streit aus, der von Priliclas Seite her allerdings in einem hoflichen Ton ausgetragen wurde. Prilicla hielt daran fest, da? der EPLH nach wie vor geistig rege sei und entsprechende Gefuhle ausstrahle, wahrend sein Gegenpart darauf beharrte, der Patient habe so viel Anasthetikum im Blutkreislauf, da? er wenigstens die nachsten sechs Stunden gegenuber samtlichen au?eren Einwirkungen vollig unempfindlich sein musse. Kurz bevor der Streit auf eine personliche Ebene abzurutschen drohte, fuhr Conway dazwischen.

„Nun, dieses Problem kennen wir ja bereits“, stellte er etwas gereizt fest. „Mit Ausnahme der wenigen Minuten von gestern ist der Patient seit seiner Einlieferung physisch nicht bei Bewu?tsein, und dennoch hat Doktor Prilicla immer wieder rationale Gedankengange des EPLH wahrgenommen. Dasselbe Phanomen tritt nun auch wieder auf, obwohl der Patient unter Narkose steht. Ich selbst hab dafur keine Erklarung, und wahrscheinlich ware dafur eine chirurgische Untersuchung des Gehirns notwendig. Dazu haben wir jetzt aber keine Zeit. Im Augenblick ist nur wichtig, da? der Patient korperlich zu schwach ist, um sich zu bewegen oder Schmerzen zu empfinden. Konnen wir jetzt anfangen?“ An Prilicla gewandt fugte er hinzu: „Achten Sie bitte weiterhin auf samtliche Ausstrahlungen des Patienten wahrend der Operation, Doktor. Nur fur alle Falle.“

4. Kapitel

Etwa zwanzig Minuten lang wurde schweigend gearbeitet, obwohl die Operation selbst eigentlich keine sonderlich hohe Konzentration erforderte. Es war fast so, als wurde man in einem Garten Unkraut jaten, nur da? alles, was wuchs, Unkraut war und Pflanze fur Pflanze samt Wurzel herausgerissen werden mu?te. Conway schalte die befallenen Hautpartien ab, und unter Anleitung des Tralthaners untersuchte der OTSB mit seinen haardunnen Tentakeln die Stellen noch einmal genauer und entfernte dann eventuell noch vorhandene Wurzelfasern, wahrend Conway schon woanders weitermachte. Innerlich hatte sich Conway bereits auf die zugleich langwierigste und langweiligste Operation seiner Karriere eingestellt.

„Ich empfinde zunehmende Angstgefuhle, verbunden mit gesteigerter Entschlu?kraft“, bemerkte Prilicla plotzlich. „Die Angst wird immer starker.“

Als einziger Kommentar dazu fiel Conway nur ein kopfschuttelndes Grunzen ein.

Funf Minuten spater meldete sich der Tralthaner zu Wort:

„Wir mussen langsamer vorgehen, Doktor. Wir sind jetzt an einer Stelle, wo die Wurzelfasern sehr viel tiefer gehen.“

„Oje, ich kann die Wurzeln schon mit meinen eigenen Augen sehen!“ sagte Conway etwas spater. „Wie tief sitzen sie jetzt?“

„Etwa zehn Zentimeter“, antwortete der Tralthaner. „Und noch etwas Doktor, wahrend wir arbeiten, graben sie sich vor unseren Augen immer tiefer ein.“

„Aber das ist doch unmoglich!“ fluchte Conway. „Wir sollten uns sofort eine andere Stelle ansehen.“

Er spurte, wie ihm Schwei?perlen auf die Stirn traten und Priliclas schlaksiger und feingliedriger Korper direkt neben ihm leicht zu zittern begann. Das lag aber nicht an den emotionalen Ausstrahlungen des Patienten, sondern allein an Conways Unbehaglichkeitsgefuhl, das ebenso auf den Empathen zusehends starker ubertragen wurde — die neue und zwei andere, zufallig ausgesuchte Hautstellen wiesen dasselbe Phanomen auf: Die Wurzelfasern der sich abschalenden Hautpartien gruben sich zusehends immer tiefer ein.

„Sofort aufhoren!“ befahl Conway entsetzt.

Eine ganze Weile sagte niemand etwas. Prilicla zitterte, als wurde ein Orkan durch den Raum fegen. Der Tralthaner hantierte verlegen an den Kontrollgeraten herum, wobei er seine vier Augen auf einen vollig unwichtigen Regler gerichtet hatte. O’Mara beobachte Conway genau, und sein abwagender Blick schien sogar ein wenig von Mitleid gepragt zu sein. Mitleid empfand er, weil er erkennen konnte, wann jemand ernsthaft in der Klemme sa?, und abwagend schaute er, weil er herausfinden wollte, ob das aktuelle Problem auf Conways Kappe ging oder nicht.

„Was ist passiert, Doktor?“ fragte er schlie?lich mit ruhiger Stimme.

Conway schuttelte wutend den Kopf. „Das wei? ich auch nicht. Gestern hat der Patient nicht auf die medikamentose Behandlung angesprochen, und heute widersetzt er sich der Operation. Auf alles, was wir mit ihm anzustellen versuchen, reagiert er vollig abwegig. Das ist doch verruckt! Unser Versuch, seine erkrankten Hautpartien durch einen operativen Eingriff zu entfernen, hat bei ihm irgendeine Reaktion ausgelost, wodurch die Wurzeln mittlerweile so tief nach innen wachsen, da? sie lebenswichtige Organe durchdringen werden, jedenfalls dann, wenn sich ihr gegenwartiges Wachstumsverhalten nicht innerhalb der nachsten Minuten entscheidend verandert. Und was das hei?t, konnen Sie sich ja vorstellen.“

„Das Angstempfinden des Patienten la?t allmahlich nach“, warf Prilicla ein. „Seine Entschlu?kraft hingegen ist nach wie vor stark ausgepragt.“

Jetzt schaltete sich auch der Tralthaner ein. „Mir ist an diesen rankenahnlichen Wurzelfasern, durch die die Haut mit dem Korper verbunden ist, etwas aufgefallen. Wie Sie wissen, hat mein OTSB extrem empfindliche Sehorgane, und er hat mir gerade zu verstehen gegeben, da? diese Ranken an beiden Enden verwurzelt zu sein scheinen. Deshalb ist es unmoglich zu sagen, ob das Wachstum den Korper angreift oder der Korper dieses Wachstum absichtlich beibehalt.“

Conway schuttelte gereizt den Kopf. Dieser Fall war voll von widersinnigen Widerspruchen und vollig unerklarlichen Ungereimtheiten. Erstens hatte kein Patient in der Lage sein durfen — ganz unabhangig vom Grad seiner geistigen Verwirrung —, sich binnen weniger Minuten gegen die Wirkung eines Medikaments zu wehren, das normalerweise stark genug gewesen ware, die Krankheit innerhalb einer halben Stunde vollig zu heilen. Zweitens ware es normal gewesen, wenn der EPLH, wie jedes andere Wesen auch, seine erkrankten Hautpartien abgesto?en hatte, die dann vom Korper auf naturlichem Wege durch neues Gewebe ersetzt worden waren, anstatt sie unter allen Umstanden behalten zu wollen. Der ganze Fall schien nicht nur ratselhaft, sondern schier hoffnungslos zu sein.

Dabei hatte es bei Einlieferung des Patienten nach einem ganz normalen Routinefall ausgesehen. Conway hatte sich weit mehr Sorgen um die Vorgeschichte des Patienten gemacht als um dessen Krankheit, deren erfolgreiche Behandlung ihm damals noch selbstverstandlich erschienen war. Aber seither mu?te er irgend etwas ubersehen haben, dessen war er sich jetzt sicher, und wegen dieser Unterlassungssunde wurde der Patient wahrscheinlich innerhalb der nachsten Stunden sterben. Vielleicht war er zu uberzeugt von sich gewesen und hatte eine voreilige Diagnose gestellt, was bedeuten wurde, da? er seine Sorgfaltspflicht auf fast kriminelle Weise vernachlassigt hatte.

Es war immer furchtbar, einem Patienten nicht mehr helfen zu konnen, und im Orbit Hospital war der Verlust eines Patienten etwas hochst Seltenes. Aber jemanden zu verlieren, dessen Krankheitszustand in der gesamten zivilisierten Galaxis von niemandem als ernst erachtet worden ware. Conway fluchte laut, verstummte dann aber, weil ihm schlichtweg die Worte fehlten, die seinem derzeitigen Gemutszustand gerecht geworden waren.

„Ruhig Blut, mein Junge“, trostete ihn O’Mara mit vaterlicher Stimme und druckte Conway am Arm.

Normalerweise war O’Mara ein griesgramiger, laut polternder und unnahbarer Tyrann, der, wenn man ihn um Hilfe bat, sich erst einmal hinsetzte und lediglich abfallige Bemerkungen vom Stapel lie?, wahrend sich die

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