geradezu schwindelerregend ruhig! Er wurde von einem entsetzlichen Schwindelgefuhl gepackt, sein Sehvermogen schwand, er drohte zu ersticken und verlor jeden Orientierungssinn.

„Immer mit der Ruhe, mein Junge“, redete O’Mara beruhigend auf ihn ein. „Kampfen Sie nicht dagegen an, sondern passen Sie sich an.“

Conway wollte ihn beschimpfen, doch die Laute, die er von sich gab, klangen wie das angstliche Bloken eines zu Tode erschrockenen Kleintiers. Er schaukelte vor und zuruck, schneller und schneller, und wippte mit dem Kopf von einer Seite zur anderen. Der Raum ruckte und schlingerte jetzt hin und her, war aber immer noch zu ruhig. Die beharrliche Regungslosigkeit um ihn herum war furchterregend und todlich. Wie, fragte sich Conway in totaler Verzweiflung, pa?t man sich blo? ans Sterben an?

„Ziehen Sie seinen Armel hoch, Lieutenant“, sagte O’Mara eindringlich, „und halten Sie ihn fest.“

In diesem Augenblick drehte Conway vollends durch. Der Alien, der jetzt anscheinend die vollkommene Kontrolle uber ihn gewonnen hatte, wurde niemandem erlauben, seinen Korper ruhigzustellen — das war einfach undenkbar! Conway sprang auf und krachte gegen O’Maras Schreibtisch. Wahrend er immer noch nach einer Bewegungsform suchte, die den Alien in seinem Gehirn beruhigen wurde, kroch er auf Handen und Knien durch das geordnete Durcheinander auf der Schreibtischplatte und rollte und schuttelte wie ein Wahnsinniger den Kopf.

Mittlerweile war dem kunstlichen Alienanteil in seinem Gehirn wegen der vermeintlichen Bewegungslosigkeit, seinem naturlichen terrestrischen Anteil aber wegen der zu gro?en Unruhe schwindlig. Conway war kein Psychologe, wu?te jedoch, da? er als Patient von O’Mara anstatt als Arzt enden wurde, wenn ihm nicht schleunigst etwas einfiel, denn der Alien war fest davon uberzeugt, jeden Augenblick zu sterben.

Und selbst durch einen Stellvertreter wurde das Sterben noch eine schlimme traumatische Erfahrung sein.

Conway hatte zwar irgendeine Idee gehabt, als er auf den Schreibtisch gestiegen war, aber da der gro?te Teil seines Gehirns von einer haltlosen Panik ergriffen worden war, fiel es ihm schwer, sich daran zu erinnern. Irgend jemand versuchte jetzt, ihn herunterzuziehen. Er trat wild um sich, bis man ihn loslie?, doch durch die Anstrengung verlor er das Gleichgewicht und sturzte kopfuber in O’Maras Drehstuhl. Er spurte, wie er abzurutschen drohte und streckte instinktiv Arme und Beine aus, um nicht hinunterzurollen. Der Stuhl drehte sich dabei um mehr als hundertachtzig Grad, und Conway stie? sich wieder und wieder vom Boden ab. Der Stuhl drehte sich weiter, zuerst unregelma?ig, doch als er den richtigen Dreh herausbekommen hatte, wurde die Bewegung gleichma?iger.

Sein Korper war an der Seite eingeknickt und hatte sich uber eine Stuhllehne gewunden, der linke Oberschenkel und das Knie lagen flach auf der Sitzflache, wahrend sich der rechte Fu? standig vom Boden abstie?. Es fiel ihm nicht sonderlich schwer, sich vorzustellen, da? die Aktenschranke, die Bucherregale, die Burotur und die Gestalten von O’Mara und Craythorne alle auf der Seite lagen und er, Conway, sich in der Senkrechten drehte. Seine Panik legte sich langsam ein wenig.

„Wenn Sie mich anhalten“, drohte Conway, und er meinte jedes einzelne Wort todernst, „trete ich Ihnen in die Fresse.“

Der Ausdruck auf Craythornes Gesicht war grotesk, als es sich in Conways Blickfeld drehte. O’Maras Gesicht wurde von der geoffneten Tur des Medikamentenschranks verdeckt.

Zu seiner Verteidigung erklarte Conway: „Sie mussen schon entschuldigen, aber es ist nicht nur der Ekel vor dieser sich plotzlich einstellenden, ubermachtigen Sichtweise eines Aliens — glauben Sie mir, Surreshun ist als Wesen menschlicher als die meisten anderen Lebensformen, die ich in letzter Zeit eingespielt bekommen hab —, aber mit diesem Band werde ich einfach nicht fertig! Ich bin hier zwar nicht der Psychologe, aber ich glaube, kein normales Wesen kann sich an einen standig wiederkehrenden Todeskampf gewohnen oder gar anpassen.

Auf dem Fleischklo? gibt es keinen schlafahnlichen und oder bewu?tlosen Zustand“, fuhr Conway grimmig fort. „Entweder bewegen sich diese Wesen und leben, oder sie bewegen sich nicht und sind tot. Selbst die Nachkommen von Surreshuns Spezies drehen sich wahrend der Schwangerschaft, bis sie.“

„Das ist uns doch alles schon bekannt, Doktor“, entgegnete O’Mara und naherte sich ihm wieder. Auf seiner rechten Handflache lagen drei Tabletten. „Ich werde Ihnen keine Spritze geben, weil Sie offensichtlich starke Schmerzen hatten, wenn ich Sie anhalten mu?te. Stattdessen gebe ich Ihnen drei von diesen Schlafbomben hier. Die Wirkung tritt sofort ein, und Sie sind fur wenigstens achtundvierzig Stunden wegtreten. Wahrend dieser Zeit losche ich auch das Band aus Ihrem Kopf Sie werden zwar ein paar Erinnerungen und Eindrucke zuruckbehalten, sobald Sie wieder aufwachen, aber keine Panik mehr empfinden.

Offnen Sie jetzt den Mund, Doktor. Die Augen werden Ihnen schon von selbst zufallen.“

Conway wachte in einer kleinen Kabine auf, deren triste Farbzusammenstellung ihm verriet, da? er sich an Bord eines Foderationskreuzers befand, und ein Plakette an der Wand beschrankte die Moglichkeit auf das Kontakt- und Vermessungsschiff Descartes. Auf dem einzigen Klappstuhl, der die Kabine schon fast uberfullte, sa? ein Monitoroffizier, der das Rangabzeichen eines Majors trug und sich mit einer der dicken Fleischklo?-Akten befa?te. Der Major blickte auf und sagte freundlich: „Edwards ist mein Name. Ich bin medizinischer Offizier des Schiffs. Schon, Sie bei uns zu haben, Doktor. Sind Sie wach?“

Conway gahnte heftig und grummelte: „Wenigstens halbwegs.“

„In dem Fall“, entgegnete Edwards, wobei er sich auf den Korridor begab, damit Conway genug Platz zum Anziehen hatte, „will uns der Captain sprechen.“

Die Descartes war ein gro?es Schiff, und ihr Kontrollraum war geraumig genug, um Surreshuns Lebenserhaltungssystem zu fassen, ohne allzuviel Unannehmlichkeiten fur die dort arbeitenden Offiziere zu verursachen. Captain Williamson hatte den rollenden Alien aufgefordert, den gro?ten Teil der Reise dort zu verbringen — ein Kompliment, das jeder Astronaut unabhangig von seiner Spezies zu schatzen wu?te. Fur ein Wesen, dem die Bedeutung von Schlaf unbekannt war, hatte es zudem den Vorteil, andauernd beschaftigt zu sein. Schlie?lich konnte sich Surreshun mit den Offizieren unterhalten, wenn auch nur mit einem begrenzten Wortschatz.

Verglichen mit dem monstrosen Ubersetzungscomputer im Orbit Hospital war der Schiffscomputer namlich winzig, und man konnte nur einen Bruchteil seiner Kapazitat fur Ubersetzungszwecke entbehren, da er in erster Linie schiffsspezifische Aufgaben zu erfullen hatte. Folglich waren die Gesprachsversuche uber psychosoziale und gesellschaftspolitische Themen zwischen dem Captain und Surreshun von keinem gro?en Erfolg gekront.

Der Offizier, der hinter dem Captain stand, drehte sich um. Es war Harrison. Conway begru?te ihn mit einem Nicken und fragte lachelnd: „Wie geht’s Ihrem Bein, Lieutenant?“

„Ganz gut, Doktor“, antwortete Harrison, und in betont ernstem Ton fugte er hinzu: „Es macht mir nur ein bi?chen zu schaffen, wenn es regnet, aber das kommt auf einem Raumschiff ja nur hochst selten vor.“

„Wenn Sie schon ein Gesprach fuhren mussen, Harrison“, mischte sich der Captain mit unterdrucktem Arger ein, „dann fuhren Sie bitte wenigstens ein halbwegs intelligentes Gesprach.“ Zu Conway sagte er forsch: „Doktor, das Regierungssystem von Surreshuns Spezies geht vollkommen uber meinen Verstand — wenn uberhaupt, scheint es eine Art paramilitarischer Anarchie zu sein. Aber wir mussen uns mit seinen Vorgesetzten in Verbindung setzen oder, wenn das mi?lingt, mit seiner Freundin oder seinen engen Verwandten. Das Problem ist, Surreshun versteht nicht einmal den Begriff elterlicher Zuneigung, und seine sexuellen Beziehungen scheinen ungewohnlich kompliziert zu sein.“

„Das kann man wohl sagen“, warf Conway voller Verstandnis ein.

„Nun, offensichtlich wissen Sie uber dieses Thema mehr als wir“, fuhr der Captain fort, wobei man ihm seine Erleichterung anmerken konnte. „Das hab ich auch gehofft. Schlie?lich haben Sie mit ihm nicht nur ein paar Minuten lang seine Gedanken geteilt, sondern er war, wie man mir gesagt hat, auch ihr Patient, nicht wahr?“

Conway nickte. „Er war zwar kein wirklicher Patient, Sir, weil er gar nicht krank war, aber wahrend der vielen physiologischen und psychologischen Tests hat er eng mit uns zusammengearbeitet. Er ist immer noch darauf versessen, endlich nach Hause zuruckzukehren, doch liegt ihm fast genausoviel daran, zwischen uns und seinem Volk freundschaftliche Kontakte zu knupfen. Was ist also das Problem, Sir?“

Das Problem des Captains bestand hauptsachlich darin, da? er nicht nur selbst mi?trauisch war, sondern von den Bewohnern des Fleischklo?es glaubte, ahnlich skeptisch zu sein, wozu sie allerdings auch allen Grund hatten: Surreshun, als das erste Wesen ihrer Spezies im All, mu?te in ihren Augen von der Frachtschleuse der Descartes regelrecht verschlungen und schlie?lich verschleppt worden sein.

„Sie hatten zwar damit gerechnet, mich zu verlieren“, fugte Surreshun an diesem Punkt hinzu, „aber bestimmt nicht damit, da? ich entfuhrt werden wurde.“

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