da es eine einfache, innerhalb der Fahigkeiten des Schiffscomputers liegende Mitteilung war, als: „Willkommen, Fremder.“

Uber ihre Aufrichtigkeit gab es keinen Zweifel — denn in dieser auf den Kopf gestellten Welt war die Herzlichkeit eines Empfangs gleichbedeutend mit dem Fremdheitsgrad des betreffenden Wesens. Und da es ihnen uberhaupt nichts auszumachen schien, ein paar Fragen zu beantworten, war Conway sich sicher, seinen Auftrag mit links erledigen zu konnen.

Fast als erstes entdeckte er, da? sie seine medizinischen Kenntnisse nicht wirklich benotigten.

Es war eine Gesellschaft, deren Mitglieder nie aufhorten, sich durch und um „Stadte“ herum zu bewegen. Dabei handelte sich nicht etwa um gro?e Ansammlungen von Wohnquartieren, sondern ausschlie?lich um Produktions-, Forschungs- oder Lerneinrichtungen, denn auf dem Fleischklo? gab es keine privaten Behausungen. Nach einer Arbeitsperiode auf einem mechanisch gedrehten Rahmen kam der „Doughnut“ aus seinem Stutzgeschirr heraus und rollte weg, um irgendwo auf dem Meeresboden Nahrung, Bewegung, Aufregung oder fremde Gesellschaft zu suchen.

Es gab keinen Schlaf, keinen Korperkontakt — au?er zur Fortpflanzung —, keine hohen Gebaude, keine Grabstatten.

Wenn eins der rollenden Wesen aus Altersgrunden, wegen eines Unfalls oder eines Zusammensto?es mit einem der Raubtiere oder einer der Pflanzen mit giftigen Stacheln zum Stillstand kam, wurde es einfach ignoriert. Die inneren Gase, die sich kurz nach seinem Tod bildeten, lie?en den Korper an die Oberflache steigen, wo ihn Vogel und Fische beseitigten.

Conway sprach mit mehreren Wesen, die zu alt zum Rollen waren und durch kunstliche Ernahrung am Leben gehalten werden mu?ten, wahrend man sie in ihren einzelnen Riesenradern drehte. Er war sich nie ganz sicher, ob sie wegen ihres Werts fur die Allgemeinheit am Leben erhalten wurden oder ob sie einfach als Versuchsobjekte dienten. Er wu?te nur, da? es hierbei um praktizierte Altersheilkunde handelte, doch abgesehen von einer ahnlichen Form der Hilfe bei schwierigen Geburten, war dies die einzige Art medizinischer Hilfeleistungen, auf die er stie?.

Mittlerweile kartographierten die Vermessungsteams den Planeten und nahmen die verschiedensten Proben. Das meiste dieses Materials wurde zur Bearbeitung zum Orbit Hospital geschickt, und schon sehr bald trafen von Thornnastor detaillierte Behandlungsvorschlage ein, die auf einer ausfuhrlichen Analyse basierten. Dem Chefdiagnostiker zufolge hatte der gesamte Fleischklo? ein hochst akutes medizinisches Problem. Nach einem ersten Blick auf die ausgewerteten Daten und einer Anzahl von Tiefflugen uber die Planetenoberflache konnten ihm Conway und Edwards nur in jeder Hinsicht zustimmen.

„Wir konnen jetzt immerhin eine vorlaufige Diagnose der Probleme des Planeten stellen“, sagte Conway verargert. „Diese Schwierigkeiten haben allein seine rollenden Bewohner verursacht, indem sie so verdammt gro?zugig mit ihren Nuklearwaffen umgegangen sind. Trotzdem benotigen wir dringend eine Einschatzung der hiesigen medizinischen Situation, an die wir aber nicht kommen. Die gro?e Frage ist.“

„…ob ein Arzt im Haus ist“, vollendete Edwards grinsend Conways Frage. „Und wenn ja, wo?“

„Ganz genau“, bestatigte Conway in ernstem Ton.

Drau?en vor der Direktsichtluke wurde das Mondlicht von den tragen, angeschwollenen Wellen durch einen Nebelschleier auf der Wasseroberflache reflektiert. Der Mond, der sich der Roche-Grenze und somit seiner Auflosung naherte, wurde die Bewohner des Fleischklo?es in ferner Zukunft vor ein anderes bedeutendes Problem stellen — bis dahin durften allerdings noch ungefahr eine Million Jahre verstreichen. Im Moment stellte er einen gro?en schartigen Halbmond dar und beleuchtete das Meer, den seltsam friedlichen Kustenstreifen und die etwa siebzig Meter lange Flache der Descartes, die uber die Oberflache hinausragten.

Friedlich deshalb, weil sie tot war und die Raubtiere kein Aas fressen wollten.

„Wenn ich mir nun selbst ein rotierendes Gestell baue, wurde O’Mara mir dann.?“ begann Conway.

Edwards schuttelte den Kopf. „Surreshuns Band ist gefahrlicher als Sie glauben. Sie hatten gro?es Gluck, da? Sie nicht fur ewig und immer eine Schraube locker haben. Au?erdem hat O’Mara auch schon diese Idee gehabt, sie aber gleich wieder verworfen. Ob Sie sich nun in einem Drehstuhl oder in einem von unseren Entwicklungskonstrukteuren hergestellten Gerat drehen, unter dem Einflu? des Bands konnen Sie Ihren Verstand auf jeden Fall nur ein paar Minuten lang tauschen, sagt er. Aber wenn Sie mochten, kann ich ihn ja noch mal fragen.“

„Ich glaube Ihnen auch so“, erwiderte Conway. Nachdenklich fuhr er fort: „Aber ich stelle mir immer wieder die Frage, wo auf diesem Planeten ein Arzt am wahrscheinlichsten zu finden ist. Ich nehme an, die Antwort lautet, wo es die gro?te Anzahl von Verletzten gibt, das hei?t, entlang der Kusten.“

„Nicht unbedingt“, wandte Edwards ein. „Schlie?lich findet man einen Arzt normalerweise nicht in einem Schlachthof. Und vergessen Sie nicht, da? es noch eine andere intelligente Spezies auf diesem Planeten gibt, namlich die Hersteller dieser gedankengesteuerten Werkzeuge. Ware es nicht moglich, da? die Arzte zu dieser Spezies gehoren und die Antworten auf Ihre Fragen vollig au?erhalb der Kultur der rollenden Wesen liegen?“

„Richtig“, entgegnete Conway. „Aber uns steht die bereitwillige Mitarbeit der Bewohner zur Verfugung, von der wir auch reichlich Gebrauch machen sollten. Ich glaube, ich sollte um die Erlaubnis bitten, einem von den weitreisenden Doughnuts folgen zu durfen, sobald er das nachstemal zu einem Ausflug aufbricht. Selbst auf die Gefahr hin, da? man mir eine Abfuhr erteilt, weil es womoglich fur sie dasselbe ist, als wurde ich jemanden als ungebetener Gast auf seiner Hochzeitsreise begleiten. Doch offensichtlich gibt es in den Stadten und bewohnten Gebieten keine Arzte, und nur die Reisenden scheinen eine Chance zu haben, einem zu begegnen. Bis es soweit ist“, schlo? er, „lassen Sie uns versuchen, diese andere intelligente Spezies ausfindig zu machen.“

Zwei Tage spater trat Conway mit einem Wesen in Kontakt, das nicht mit Surreshun verwandt war. Es war in einem nahegelegenen Kraftwerk, einem Nuklearreaktor, beschaftigt, in dem sich Conway fast heimisch fuhlte, weil es vier massive Wande und ein Dach hatte. Nach Ablauf seiner gegenwartigen Arbeitszeit hatte das Wesen einen Ausflug entlang eines unbewohnten Teils der Kuste geplant, der nach Conways Schatzung zwei oder drei Tage dauern durfte. Das Wesen namens Camsaug hatte gegen Conways Begleitung nichts einzuwenden, solange er sich beim eventuellen Auftreten gewisser Umstande nicht allzusehr in seiner der Nahe aufhalten wurde. Camsaug beschrieb diese Umstande ausfuhrlich und offensichtlich ohne Scham.

Er hatte von den „Beschutzern“ gehort, jedoch nur aus zweiter oder dritter Hand. Im Gegensatz zu Conways Arzten wurden sie ihre Patienten aber nicht aufschneiden und wieder zunahen — was sie genau machten, wu?te er allerdings auch nicht, nur so viel, da? sie die Wesen, die sie beschutzen sollten, oftmals toteten. Sie seien dumme, sich trage bewegende Wesen, die sich aus irgendeinem merkwurdigen Grund ganz in der Nahe der aktivsten und gefahrlichsten Kustenabschnitte aufhielten.

„Wir haben es also nicht mit einem Schlachthof zu tun, Major Edwards, sondern mit einem Schlachtfeld“, sagte Conway, als er nach seinem ersten Besuch bei Camsaug wieder an Bord der Descartes war. „Und auf einem Schlachtfeld mu?te man eigentlich auch Arzte antreffen.“

Doch sie konnten nicht auf den Beginn von Camsaugs Ferien warten, denn Thornnastors Berichte, die von den Aufklarungsschiffen gesammelten Proben und ihre eigenen Augen lie?en keinen Zweifel an der Dringlichkeit der Lage.

Der Fleischklo? war wirklich ein sehr kranker Planet. Surreshuns Artgenossen hatten ihre jungst entwickelte Atomenergie schlichtweg viel zu gro?zugig und fahrlassig eingesetzt. Der Grund dafur war, da? sie es sich als eine sich rasch entwickelnde Zivilisation nicht leisten konnten, sich durch die standige Bedrohung seitens der riesigen Landtiere in ihrer Entwicklung behindern zu lassen. Sie hatten ein paar Kilometer landeinwarts eine Reihe von atomaren Sprengkorpern gezundet und naturlich gut darauf aufgepa?t,

da? der Wind den Fallout nicht in ihr eigenes Wohngebiet geweht hatte, und so gro?e Teile der Landtiere getotet. Jetzt waren sie in der Lage, auf dem toten Land Stutzpunkte zu errichten, um ihre wissenschaftlichen Forschungen auf vielen Gebieten auszuweiten.

Es war ihnen egal, da? sie auf diese Weise uber ausgedehnte Gebiete noch weit landeinwarts Braunfaule und Krebs verbreiteten — schlie?lich waren diese gro?en Teppiche ihre naturlichen Feinde. Jedes Jahr wurden Hunderte von ihrem Volk von den Landtieren zum Stillstand gebracht und gefressen, und jetzt wollten sie das, was ihnen ihrer Meinung nach zustand, zuruckhaben.

„Sind diese Teppiche lebendig und intelligent?“ fragte Conway aufgeregt, als ihr Aufklarungsschiff im Tiefflug uber ein Gebiet ging, das anscheinend an fortgeschrittenem Brand litt. „Oder gibt es dort kleine intelligente Organismen, die in oder unter ihnen leben? Egal, wie diese Wesen beschaffen sind, Surreshuns Volk wird damit aufhoren mussen, mit seinen schmutzigen Bomben herumzuschmei?en!“

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