Der erste Buchstabe zeigt den Stand der physikalischen Evolution an, der zweite die Art und Verteilung der Gliedma?en und Sinnesorgane und der dritte und vierte den Metabolismus sowie die erforderlichen Druck- und Schwerkraftverhaltnisse, was zugleich ein Hinweis auf die physische Masse und auf die Beschaffenheit der Au?enhaut eines Wesens ist. An diesem Punkt mussen wir unsere Studenten normalerweise darauf hinweisen, da? sie wegen des ersten Buchstabens der fur sie zutreffenden Klassifikation keine Minderwertigkeitskomplexe bekommen mussen, da der Stand der physikalischen Evolution keinerlei Ruckschlusse auf den Grad der Intelligenz zula?t.“

Weiterhin erklarte er, da? alle Wesen mit A, B oder C als erstem Buchstaben Wasseratmer seien. Auf den meisten Planeten war das Leben im Wasser entstanden, und diese Wesen hatten eine hohe Intelligenz entwickelt, ohne das nasse Element verlassen zu mussen. D bis F waren warmblutige Sauerstoffatmer — unter diese Klassifikation fielen die meisten intelligenten Wesen der Galaxis. G bis K waren auch Sauerstoffatmer, aber insektenartige Wesen von Planeten mit geringer Schwerkraft, ebenso wie die vogelartigen Wesen der Kategorie L und M. Die Chloratmer waren in die Gruppen O und P eingeteilt, darauf folgten die eher exotischen, physikalisch hochentwickelten und vollig absonderlich anmutenden Spezies — Strahlungsverwerter; starrblutige oder kristalline Wesen; Kreaturen, die ihre physische Gestalt beliebig verandern konnten. Diejenigen, die verschiedene Arten ubersinnlicher Krafte besa?en und bereits so weit entwickelt waren, da? sie nicht einmal mehr Fortbewegungs- oder Greiforgane benotigten, hatten unabhangig ihrer Form oder Gro?e als ersten Buchstaben ein V.

„Zwar ist dieses System nicht ganz fehlerfrei“, fuhr Conway fort, „aber schuld daran ist einfach die mangelnde Vorstellungskraft der Urheber gewesen, und man hat es deshalb auch hin und wieder andern mussen. AACPs sind zum Beispiel eine Spezies mit vegetarischem Metabolismus. Normalerweise weist das A als deren erster Buchstabe auf Wasseratmer hin. Da das System mit seiner Klassifikation jedoch erst bei den fischahnlichen Lebensformen beginnt und die AACPs als pflanzliche Wesen noch vor den Fischen eingestuft werden mu?ten, hat man sie einfach dieser Gruppe zugeordnet.“

„Entschuldigung, Doktor“, unterbrach ihn der Pilot. „Wir docken in funf Minuten an, und Sie haben gesagt, Sie wollten die Besucher auf den Transfer vorbereiten.“

Conway nickte und Edwards sagte: „Ich helfe Ihnen, Doktor.“

Das Aufklarungsschiff lief in die gigantische wurfelformige Hohle ein, die Schleuse dreiundzwanzig darstellte. Wahrenddessen legten sie die leichten Anzuge an, die man in Umgebungen trug, in denen die Flussigkeit oder das Gas zwar todlich waren, ansonsten aber ziemlich normaler Druck herrschte. Sie spurten, wie die Greifer das Schiff in das verstellbare Hangegerust zogen, und taumelten ein wenig, als die kunstlichen Schwerkraftgitter eingeschaltet wurden. Die Au?enluke der Schleuse schlug drohnend zu, und man horte das Rauschen von Wasserfallen, die uber Felsen aus Metall herabsturzten.

Conway war gerade damit fertig, seinen Helm zu befestigen, als sein Funkempfanger meldete: „Hier ist Harrison, Doktor. Der Leiter des Abfertigungsteams dieser Schleuse sagt, es wurde einige Zeit dauern, die Schleuse vollstandig mit Wasser zu fullen. Daruber hinaus ware es erforderlich, die restlichen funf Inneneingange dem kompletten Dekontaminierungsverfahren zu unterziehen. Das hier ist namlich eine gro?e Schleuse, und auf den ubrigen Luken wird ein starker Wasserdruck lasten, wenn man sie.“

„Es ist nicht notwendig, sie ganz zu fullen“, unterbrach ihn Conway. „Der drambonische CLHG wird sich nur dann einigerma?en wohl fuhlen, wenn das Wasser bis zur Oberkante der Frachtluke reicht.“

„Der Mann la?t Ihnen ein herzliches Dankeschon ausrichten“, antwortete Harrison spottisch.

Sie betraten den Laderaum des Aufklarungsschiffs und gingen dem Lebenserhaltungsmechanismus behutsam aus dem Weg, der einen Eigenantrieb besa? und den ersten Dramboner fortwahrend wie eine organische Gebetsmuhle drehte, wahrend sie die Befestigungsgurte von den Frachtvertauungspunkten losten.

„Wir sind da, Surreshun“, sagte Conway. „In ein paar Minuten konnen Sie sich fur ein paar Tage von diesem Apparat verabschieden. Wie geht es Ihrem Freund?“

Das war eine rein rhetorische Frage, weil der zweite Dramboner bisher noch nie etwas gesagt hatte und vielleicht auch gar nicht sprechen konnte. Aber wenn er sich vielleicht auch nicht unterhalten konnte, so war er doch wenigstens in der Lage zu reagieren. Wie eine gro?e durchsichtige Qualle schwamm der Dramboner in Wellenbewegungen auf sie zu — hatte er keine schimmernde Haut und ein paar milchige Innenorgane besessen, ware er im Wasser vollkommen unsichtbar gewesen. Er legte sich einen Moment lang wie ein dicker, durchsichtiger Kokon um Conway und wandte dann seine Aufmerksamkeit Edwards zu.

„Falls Sie soweit sind, Doktor Conway und Doktor Edwards, wir waren bereit.“

„Diesmal klappt das ja viel besser als bei Ihrem ersten Besuch im Hospital“, bemerkte Conway an Surreshun gewandt, wahrend ihm Edwards half, das Lebenserhaltungssystem des Dramboners aus dem Laderaum zu manovrieren. „Dieses Mal wissen wir wenigstens, was wir tun.“

„Es besteht keinerlei Notwendigkeit, sich zu entschuldigen, Freund Conway“, entgegnete Surreshun mit ausdrucksloser Translatorstimme. „Fur ein Lebewesen von meiner enormen Intelligenz, das zudem mit hohen moralischen Werten ausgestattet ist, machen das Verstandnis fur die geistigen Mangel geringerer Wesen und naturlich die Vergebung jeglichen Unrechts, das diese mir moglicherweise zugefugt haben, lediglich einen geringen Teil meiner gro?mutigen und facettenreichen Personlichkeit aus.“

Conway war sich gar nicht bewu?t gewesen, da? er sich entschuldigt hatte, doch fur ein Wesen, dem der Begriff Bescheidenheit vollkommen fremd war, hatten seine Au?erungen moglicherweise so geklungen. Er verhielt sich diplomatisch und entgegnete lieber nichts.

Das Abfertigungsteam der Schleuse dreiundzwanzig kam, um ihnen dabei zu helfen, Surreshuns Rad zum Eingang zu den wassergefullten AUGL-Stationen zu bringen. Der Teamleiter, dessen schwarzer Anzug rot- und gelbgestreifte Armel und Hosenbeine hatte, die ihn wie einen der Neuzeit angepa?ten Hofnarren aussehen lie?en, schwamm nach oben zu Conway und beruhrte dessen Helm mit seinem.

„Tut mir leid, da? ich das auf diese Art tun mu?, Doktor“, sagte er mit deutlicher, wenn auch durch das Ubertragungsmedium leicht verzerrter Stimme, „aber es ist plotzlich ein Notfall eingetreten, und ich will nicht die Anzugfrequenz einstellen. Ich mochte, da? Sie sich alle so schnell wie moglich auf die Station begeben. Surreshun ist ja schon vorher einmal durch unsere Hande gegangen, deshalb brauchen wir uns um ihn keine Sorgen zu machen. Sie mussen also nur die Verantwortung fur das andere Wesen ubernehmen, wo immer sich das auch gerade befindet. Was, zum Teufel, ist das?“

Das zweite Wesen hatte sich um Kopf und Schultern des Leiters gewickelt, fesselte seine Arme und beschnupperte ihn wie ein Hund mit einem Dutzend unsichtbarer Kopfe.

„Vielleicht mag er Sie“, sagte Conway. „Wenn Sie ihn eine Minute lang gar nicht beachten, geht er von selbst weg.“

„Tiere finden mich immer unwiderstehlich“, entgegnete der Teamleiter trocken. „Ich wollte, von den Frauen meiner eigenen Spezies konnte man dasselbe sagen.“

Conway schwamm um den SRJH herum und dann uber ihn, packte zwei kraftige Handvoll der elastischen transparenten Haut des Dramboners und strampelte seitlich mit den Beinen im Wasser, bis das vordere Ende des Wesens auf den Stationseingang gerichtet war. Gro?e langsame Wellen liefen den Korper des SRJH entlang, und es begann mit wogenden Bewegungen wie ein schimmernder fliegender Teppich auf den Korridor zuzuschwimmen, der zur AUGL-Station fuhrte. Dicht hinter ihm folgte Surreshuns Riesenrad mit weniger Anmut.

„Ein Notfall, sagten Sie?“

„Ja, Doktor“, antwortete der Teamleiter uber Anzugfunk. „Aber die nachsten zehn Minuten wird wohl nichts passieren, deshalb kann ich den Anzugfunk benutzen, wenn wir uns kurz fassen. Meines Wissens ist eine kelgianische Schwester, die im hudlarischen OP arbeitet, wahrend einer Operation durch einen Muskelkrampf und eine unwillkurliche Bewegung der vorderen Tentakeln des Patienten verletzt worden. Die Verletzungen werden durch die Auswirkungen der Kompression kompliziert und zusatzlich durch die Tatsache, da? die Bestandteile dieser unter hohem Druck stehenden Suppe, die die Hudlarer atmen, fur den Stoffwechsel der Kelgianer hochgiftig sind. Doch zu einem Notfall hat sich das Ganze erst durch die enormen Blutungen entwickelt. Sie kennen ja die Kelgianer.“

„Ja, allerdings“, sagte Conway.

Selbst eine kleine Stich- oder Schnittwunde stellte fur Kelgianer eine sehr ernsthafte Angelegenheit dar. Sie waren riesige, pelzige Raupen, und lediglich ihr Gehirn, das im stumpfen, kegelformigen Kopfteil lag, wurde von etwas geschutzt, das einer Knochenstruktur ahnelte. Der Korper eines kelgianischen Wesens setzte sich aus einer Reihe von kreisformigen Muskelbandern zusammen, die nicht nur zur Fortbewegung dienten, sondern daruber

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