aufzuhalsen.“
Der Chefpsychologe hatte fast die gleiche Abneigung dagegen, unnotige Erklarungen geben zu mussen, wie gegen Leute, die schwer von Begriff waren. Deshalb dachte Conway einen Augenblick nach, bevor er fragte: „Sie mochten also, da? ich noch einen weiteren drambonischen Arzt herbringe, damit Sie, wenn sich die beiden treffen, das Gesprach beobachten und belauschen konnen, um deren Verstandigung auf dem Translator zu reproduzieren, richtig?“ „Ja, Doktor“, bestatigte O’Mara, „und zwar schnell, bevor Ihr Chefpsychologe einen Psychiater braucht. Ende.“
Nach seiner Ruckkehr auf den Planeten Drambo war es Conway nicht sofort moglich, einen weiteren blutegelartigen SRJH ausfindig zu machen, zu entfuhren oder auf andere Art und Weise an Bord eines Schiffes zu schaffen. Er mu?te sich um eine Gruppe von ETs kummern, die vielschichtiger Nahrungs-, Atmosphare- und Gravitationserfordernisse bedurften. Und obwohl alle drei Lebensformen ohne allzu gro?e Schwierigkeiten im drambonischen Ozean existieren konnten, mu?ten ihre Unterkunfte auf der Descartes doch etwas von dem Komfort von zu Hause haben.
Daruber hinaus mu?te man sie ein wenig uber den Umfang des medizinischen Problems unterrichten, zu dessen gemeinsamer Losung man sie gebeten hatte; und das war mit vielen Hubschrauberflugen uber die Schichtkreaturen verbunden. Conway zeigte ihnen die gro?en Flachen des lebenden „Lands“, das von den kleinen, tief verwurzelten Pflanzen bedeckt war, die vielleicht als Augen der Schichttiere dienten — vielleicht aber auch nicht. Die Blatter rollten sich fest zusammen, um ihre helle Unterseite zum Vorschein zu bringen, als der Hubschrauber uber sie hinwegflog, und entfalteten sich ein paar Sekunden spater wieder, nachdem er sich entfernt hatte. Es war, als wenn der Hubschrauberschatten ein hochbestandiger gelber Punkt auf einem hellgrunen Radarschirm ware. Conway zeigte den anderen auch die Kustenstriche, an denen es viel dramatischer zuging.
Hier rissen sich gro?e und kleine Meeresraubtiere gegenseitig und zerrten an dem lebenden „Kustenstreifen“, der zu den riesigen Landtieren gehorte, und schlugen dabei das dickflussige Meerwasser zu gelbgrunem Schaum auf, der mit roten Flecken und Streifen durchzogen war. In solch einem Gebiet wie diesem, wo Conway das Schutzbedurfnis des Schichttiers fur am gro?ten gehalten hatte, war er damals auf die blutegelartigen SRJHs gesto?en. Und hier mu?te er, sobald er die Zeit dazu hatte, nach einem weiteren suchen.
Dieses Mal wurde er jedoch eine Menge bereitwilliger und fachlich kompetenter Helfer an seiner Seite haben.
Jeden Tag traf eine Mitteilung von O’Mara ein, die sich von der vorherigen nur durch die zwischen den Zeilen offensichtlich werdende zunehmende Ungeduld unterschied. Prilicla und der Chefpsychologe hatten mit dem drambonischen Arzt keinen Erfolg und waren zu dem Schlu? gekommen, da? er eine der exotischen visuell- sensorischen Sprachen benutzte, die ohne einen ausfuhrlichen Sicht- und Tastwortschatz praktisch unmoglich wiederzugeben war.
Die erste Expedition zur Kuste hatte eher den Charakter einer Ubung — zumindest fing sie so an. Camsaug und Surreshun ubernahmen die Fuhrung und rollten wackelnd wie ein Paar gro?er organischer Doughnuts uber den unebenen Meeresboden. Sie wurden von zwei krabbenahnlichen Melfanern flankiert, die ohne die geringste Schwierigkeit in der Lage waren, doppelt so schnell zu krabbeln wie die Dramboner rollen konnten. Uber ihnen schwamm schwerfallig ein zwolf Meter langer und mit Tentakeln versehener Chalder, bereit, hiesige Raubtiere mit seinen Zahnen, Klauen und seiner knochernen Riesenkeule von einem Schwanz abzuwehren — obwohl nach Conways Meinung ein Blick aus seinen vier ausstreckbaren Augen genugt hatte, um alles abzuwehren, was auch nur ein Funkchen Uberlebenswillen hatte.
Conway, Edwards und Garoth fuhren in einem amphibienartigen Bodenfahrzeug des Korps, das sich nicht nur jeder vorstellbaren topographischen Beschaffenheit anpassen konnte, sondern auch die Fahigkeit besa?, eine begrenzte Zeitlang in der Luft zu schweben. Sie hielten sich gerade so weit hinten, da? sie alle anderen noch im Auge behielten.
Sie wurden zu einem toten Teil der Kuste gefuhrt, einem breiten Streifen des Schichttiers, das von Surreshuns Volk getotet worden war, um sich mehr geschutzten Raum zum Rollen zu schaffen. Diese „Heldentat“ hatten sie bewerkstelligt, indem sie eine Reihe sehr schmutziger Atombomben funfzehn Kilometer weit landeinwarts abgeworfen hatten. Danach brauchten sie nur noch abzuwarten, bis der lebende Kustenstreifen aufhorte zu toten, zu fressen und zu trinken, und die Raubtiere das Interesse an dem toten Fleisch verloren und verschwanden.
Der atomare Fallout scherte die rollenden Dramboner nicht, weil der vorherrschende Wind landeinwarts blies. Aber Conway hatte absichtlich diese Stelle ausgesucht, die nur wenige Kilometer von einem Kustenstuck entfernt lag, das noch immer au?erst lebendig war, damit sich ihre erste Untersuchung mit ein wenig Gluck zu etwas mehr als nur einer Autopsie entwickelte.
Mit dem Ruckzug der Raubtiere hatte das pflanzliche Leben des Meeres Einzug gehalten. Auf dem Planeten verlief die Trennungslinie zwischen pflanzlichem und tierischem Leben selten scharf, und samtliche Tiere waren Allesfresser. Das Untersuchungsteam mu?te fast einen Kilometer an der Kuste entlangfahren, bevor es ein Maul fand, das weder zu fest geschlossen noch zu stark uberwuchert war, um das Hineinfahren zu ermoglichen. Doch die Zeit war nicht vergeudet, weil Camsaug und Surreshun so auf gro?e Mengen gefahrlicher Pflanzen aufmerksam machen konnten, denen selbst die schwer gepanzerten ETs in Zukunft lieber aus dem Weg gehen sollten.
Extraterrestrische Medizin zu praktizieren wurde enorm durch die Tatsache vereinfacht, da? die Krankheiten und Infektionen einer Spezies nicht auf eine andere ubertragbar waren. Das bedeutete jedoch nicht, da? Gifte und andere von extraterrestrischen Tieren und Pflanzen abgesonderte toxische Substanzen nicht toten konnten — und auf dem drambonischen Meeresboden war die Vegetation besonders heimtuckisch. Mehrere Arten waren von giftigen Dornen ubersat, und eine weitere verhielt sich so, als ob sie die Wahnvorstellung hatte, eine pflanzliche Krake zu sein.
Das erste brauchbare Maul sah wie eine gigantische Hohle aus. Als der Trupp den rollenden Drambonern hineinfolgte, zeigten die Scheinwerfer des Fahrzeugs blasse Pflanzen, die sich, so weit das Auge reichte, schlangelnd hin- und herbewegten. Surreshun und Camsaug rollten in unsicheren Achten uber den dichtbewachsenen Boden und entschuldigten sich dafur, da? sie die anderen nicht noch weiter in die Hohle begleiten konnten, ohne Gefahr zu laufen, zum Stillstand gebracht zu werden.
„Das verstehen wir“, sagte Conway, „und wir danken Ihnen.“
Als sie tiefer in das gigantische Maul eindrangen, wurde die Vegetation allmahlich sparlich und blasser; dadurch kamen gro?e Gewebeflachen der Kreatur zum Vorschein. Das Gewebe selbst sah grobkornig, faserig und eher nach pflanzlicher als nach tierischer Substanz aus, selbst wenn man die Tatsache berucksichtigte, da? die Kreatur schon vor mehreren Jahren gestorben war. Plotzlich fiel die Hohlendecke flach ab, und die Frontleuchten zeigten die erste ernsthafte Barriere: ein Gewirr von langen hauerahnlichen Zahnen, die so dick waren, da? sie wie der Rand eines versteinerten Walds aussahen.
Als erster berichtete einer der Melfaner. „Bevor die Pathologie meine Proben nicht uberpruft hat, kann ich mir zwar nicht absolut sicher sein, Doktor Conway, aber anscheinend bestehen die Zahne eher aus pflanzlichen Stoffen als aus tierischer Knochensubstanz. Sie wachsen sowohl auf der oberen als auch auf der unteren Flache des Mauls und erstrecken sich bis an die Grenze unseres Blickfelds. Die Wurzeln sind quer gewachsen, so da? sich die Zahne unter festem Druck frei nach vorn und hinten biegen konnen. In der normalen Position sind sie im scharfen Winkel auf die Au?enoflhung gerichtet und dienen als todliche Barriere fur gro?e Raubtiere — also nicht als Mittel, um sie zu kleinen Stucken zu zermahlen.
Wegen der Lage und dem Zustand mehrerer gro?er Kadaver in diesem Bereich wurde ich sagen, da? das Nahrungsaufnahmesystem der Kreatur sehr einfach ist“, fuhr der Melfaner fort. „Meerwasser, das Nahrung in Form von Tieren aller Gro?en enthalt, wird in einen Magen oder Vormagen gesogen. Kleine Tiere rutschen durch die Zahne hindurch, wahrend sich gro?ere selbst aufspie?en, woraufhin die nach innen verlaufende Stromung und der Uberlebenskampf der betreffenden Tiere bewirken, da? sich die Zahne nach innen biegen und die Tiere freigeben. Ich nehme an, die kleinen Tiere stellen kein Problem dar, aber die gro?en konnten schwere Schaden im Magen verursachen, bevor sie vom Verdauungssystem neutralisiert werden, deshalb mussen sie tot sein, bevor sie den Magen erreichen.“
Conway richtete den Scheinwerfer auf den Bereich, in dem sich der Melfaner befand, und sah, wie dieser mit einem seiner Mundwerkzeuge winkte.