nickte und reichte ihm die Hand. »Ihr Kollege, Herr Rombach, hat Sie mir bereits beschrieben«, fugte Bruder Johannes erklarend hinzu.

Alexandra wollte lieber nicht daruber nachdenken, wie diese Beschreibung ausgefallen war, denn sie kannte Manner von Tobias Rombachs Schlag und deren Vokabular, wenn es darum ging, eine Frau zu beschreiben. Hoffentlich hatte Tobias sich diesmal, angesichts seines geistlichen Gesprachspartners, zuruckgehalten.

»Aber keine Angst«, fuhr Bruder Johannes fort, als hatte er ihre Gedanken gelesen. »Er hat nur davon gesprochen, dass Sie schone blonde Haare haben. Leider haben Sie ihn verpasst«, erganzte er und deutete vage in Richtung des Eingangs.

»Oh, zu schade«, erwiderte sie ungewollt in einem spottischen Tonfall, der den Monch aufhorchen lie?.

»Sie beide verstehen sich nicht gut?«

Alexandra bekam vor Verlegenheit einen roten Kopf. Das Letzte, was sie wollte, war, unbeteiligte Dritte in ihren Dauerstreit mit Tobias hineinzuziehen.

»Das ist doch nur naturlich«, versicherte der Monch ihr. »Wir sind zwar alle Gottes Kinder, aber wir mussen nicht immer alle miteinander auskommen.«

Sie zog die Brauen hoch. »Tatsachlich? Ich dachte, die Kirche predigt stets Frieden und Bruderlichkeit«, rutschte es ihr heraus, woraufhin sie verargert uber sich selbst die Augen verdrehte. Wie konnte sie nur so reden?

Bruder Johannes lachelte sie milde an. »Machen Sie sich deshalb keine Vorwurfe! Wir in unserem Kloster sehen die Welt so, wie sie ist. Wir sind Realisten und im steten Kontakt zu den Menschen. Es kann nun mal nicht jeder mit jedem gut auskommen. Die Welt ware unertraglich, wenn das der Fall ware. Sie ware … so eintonig. Alle wurden das Gleiche denken, jeder wurde dem anderen recht geben und ihm Komplimente machen, weil er so einen guten Geschmack hat – namlich den gleichen wie alle anderen.«

Alexandra fehlten sekundenlang die Worte.

»Kommen Sie, lassen Sie uns ein Stuck in diese Richtung spazieren!« Der Monch deutete auf die momentan ungenutzten Wirtschaftsgebaude. »Dahinter stehen ein paar Banke, da konnen wir uns hinsetzen und uns unterhalten.«

Sie nahmen im Sonnenschein auf einer alten Holzbank Platz, die einen neuen Anstrich dringend notig hatte. Kaum hatte Alexandra darauf Platz genommen, sprang Kater Brown auch schon auf ihren Scho?, um mit den Vorderpfoten ihre Oberschenkel durchzukneten.

»Hey, was gibt denn das?«, protestierte sie verdutzt. »Ich bin doch kein Kissen, das man durchwalkt, bevor man es sich gemutlich macht!«

Kater Brown miaute zweimal energisch. In Alexandras Ohren klang das wie ein Widerwort, doch dann rollte er sich auf ihrem Scho? zusammen und schloss die Augen. Als er Alexandras streichelnde Hande auf seinem Rucken spurte, fing er sogleich zu schnurren an.

»Also, was mochten Sie von mir wissen, Frau Berger?«, erkundigte sich Bruder Johannes.

Sie fasste kurz zusammen, was sie bereits von Bruder Dietmar erfahren hatte, und Bruder Johannes betonte, dass es ihr freistehe, diese Informationen in ihrem Artikel zu verwenden.

Naturlich, so raumte er ein, ware es ihm lieber, wenn man die unruhmliche Vergangenheit nun endlich auf sich beruhen lassen konnte. Immerhin war dieses Kapitel jetzt abgeschlossen, sie hatten einen Neuanfang gewagt.

»Eine Sache kann ich in meinem Artikel ganz bestimmt nicht unerwahnt lassen«, fuhr Alexandra fort und machte sich Notizen. »Eine Ubernachtung im Klosterhotel kostet ungefahr so viel wie die in einem luxuriosen Hotel einer Gro?stadt, und doch bieten Ihre Zimmer hier keinerlei Luxus. Die Einrichtung ist spartanisch. Wie konnen Sie genauso teuer sein wie ein Hotel in Toplage, obwohl alle sonst ublichen Annehmlichkeiten fehlen? Ich meine, wir befinden uns hier in der tiefsten Eifel. Au?er Wanderwegen gibt es nicht viel Bemerkenswertes.« Sie hatte die Frage absichtlich etwas uberspitzt formuliert, weil sie horen wollte, wie leidenschaftlich Bruder Johannes fur sein Projekt eintrat, wenn es mehr oder weniger unverhohlen unter Beschuss genommen wurde.

Er nickte verstehend. »Sehen Sie, das ist Teil der Philosophie, die mit dem Namen des Hotels verbunden ist, ›Zur inneren Einkehr‹. Wir haben unser Konzept zuvor genau durchdacht. Bestimmt hatten wir einen Investor finden konnen, der die Klosteranlage in ein Luxushotel mit allem Drum und Dran verwandelt, doch so etwas bekommt der Gast uberall. Wir wollten einen ganz anderen Weg gehen – zugegebenerma?en auch, weil wir die Moglichkeit haben wollten, das fruhere Klosterleben eingeschrankt weiterzufuhren. Davon abgesehen mochten wir unseren Gasten die Chance geben, wirklich zu sich selbst zu finden, und das kann man nur, wenn man nicht von dem Luxus umgeben ist, uber den man jeden Tag verfugt. Wir haben ein Motto entwickelt, das unsere Geschaftsphilosophie auf den Punkt bringt: ›Verzicht – der neue Luxus.‹«

»Das klingt gut, ich glaube, das wurde ich gern als Uberschrift verwenden.«

»Das wurde mich sogar freuen. Indem wir Verzicht uben, begreifen wir erst, wie viel wir eigentlich besitzen. Wir haben zum Beispiel auf keinem Zimmer einen Fernseher, weil wir gar nicht erst die Moglichkeit dieser Art von Zerstreuung anbieten wollen. Unsere Gaste sollen wieder sich und ihre wahren Bedurfnisse wahrnehmen – und so seelisch gesunden. Und naturlich verlangen wir dafur einen angemessenen Preis.«

Alexandra nickte nachdenklich.

»Um erfolgreich zu sein, mussen wir uns von anderen Hotels und Schonheitsfarmen unterscheiden. Davon sind wir uberzeugt. Sie haben es ja angesprochen: Wir liegen in einer Region, die touristisch nicht sehr attraktiv ist, es sei denn, man mochte wandern oder die Natur erleben. Doch genau das kommt unserem Ansatz doch zugute. Hier konnen wir den Blick des Menschen auf sich selbst und auf Gottes Schopfung, die ihn umgibt, scharfen. Die erste Resonanz zeigt, dass wir mit diesem Ansatz auf dem richtigen Weg sind.«

»Sie sind augenblicklich ausgebucht, nicht wahr?«

»Wir haben noch gar nicht richtig fur uns werben konnen. Trotzdem hat sich das Besondere unseres Klosterhotels schon herumgesprochen.« Er nickte zufrieden. »Mit einer solchen Reaktion hatte ich nicht gerechnet, wenn ich ehrlich sein soll. Naturlich habe ich gebetet, dass wir keinen Schiffbruch erleiden, aber zum Gluck war ich auch nicht der Einzige, der an den Erfolg geglaubt hat. Wenn die Bank mein Konzept fur ein Luftschloss gehalten hatte, ware uns nicht ein Cent an Krediten gewahrt worden. Bruder Dietmar hat Ihnen ja bereits davon erzahlt.«

»Ja, und er hat Sie und Ihre Leistung ganz besonders hervorgehoben. Er sagte, ohne Sie ware das Projekt niemals Wirklichkeit geworden.«

Bruder Johannes schuttelte den Kopf. »Kein Projekt ist jemals das Werk eines Einzelnen. Die Idee mag von einer Einzelperson stammen, aber dann mussen alle an einem Strang ziehen, um sie zu verwirklichen. Meine Bruder haben so wie ich all unsere Kraft in dieses Klosterhotel gesteckt, und der erste Erfolg scheint uns recht zu geben.«

Es war eindeutig, dass Bruder Johannes die entscheidende Rolle, die er bei der Umgestaltung des Klosters gespielt hatte, aus Bescheidenheit herunterspielte, aber Alexandra wurde das respektieren. Wenn er nicht im Rampenlicht stehen wollte, gab es fur sie keinen Grund, ihn in den Mittelpunkt zu rucken.

Ein sonderbares Gerausch lie? sie aufhorchen, und als Alexandra erkannte, wer es verursachte, brach sie in frohliches Gelachter aus. »Lieber Himmel, ich wusste nicht, dass Katzen schnarchen konnen«, murmelte sie verblufft. »Und erst recht nicht so laut.«

Bruder Johannes stimmte in ihr Lachen ein. »Offensichtlich kann Kater Brown Sie besonders gut leiden. Bei keinem von uns wurde er sich auf den Scho? legen.«

Alexandra kraulte den Kater unter dem Kinn, und das Schnarchen brach ab. Dafur schmatzte Kater Brown zufrieden. »Woher hat er eigentlich den Namen?«

»Den habe ich ihm gegeben«, sagte Bruder Johannes. »Er sa? eines Tages im Refektorium auf dem Platz, der fruher der Stammplatz von Bruder Gerald war. Moge Gott seiner Seele gnadig sein! Ich wei? nicht, ob Sie es schon gesehen haben, aber am Halsansatz hat der Kater einen kleinen wei?en Fleck, und wenn er sich kerzengerade hinsetzt und den Hals streckt, dann erinnert das an den wei?en Kragen eines Geistlichen. Na ja, kurz und gut: Der Kater sa? auf Bruder Geralds Platz, dieser Mitbruder erinnerte mich in seiner Art stets an Heinz Ruhmann, und von da war der Weg nicht mehr weit zu Pater Brown und dann zu Kater Brown.«

Alexandra lachelte. »Ich glaube, ich sollte den Kater in meinem Artikel erwahnen. Ist doch eigentlich kurios, dass in einem ehemaligen Kloster ausgerechnet eine schwarze Katze die gute Seele ist. So viele Menschen glauben immer noch, schwarze Katzen bringen Ungluck, und Ihr Hotel boomt trotzdem.«

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