jungere Mann bereits: »Er hat darauf bestanden, das Zimmer von Herrn Wilden zu bekommen.«

»Was?«, riefen Alexandra, Tobias und auch Bruder Johannes wie aus einem Mund.

»Ja, er war heute Mittag am Empfang an Bruder Jonas geraten«, erklarte Bruder Andreas. »Mit seiner … energischen Art hat er unseren jungen Bruder in Grund und Boden geredet, bis der ihm das Zimmer uberlassen hat.«

»Das hei?t, er hat die Moglichkeit gehabt, Wildens Habseligkeiten in aller Ruhe zu durchsuchen«, folgerte Alexandra argerlich. »Und er hatte genug Zeit, um mogliche Beweise und Informationen beiseitezuschaffen oder in seinen Besitz zu bringen, um selbst daraus Profit zu ziehen.« Sie stie? frustriert den Atem aus. »Das hatte uns gerade noch gefehlt!«

»Und falls er Wilden selbst umgebracht hat, dann hatte er jetzt alle Zeit der Welt, um nach Notizen zu suchen, die belegen konnten, dass er sich nicht erst heute Morgen von zu Hause auf den Weg hierher gemacht hat, sondern bereits gestern Abend in der Nahe des Klosters war«, erganzte Tobias duster. »Das macht uns die Arbeit nur noch schwieriger.«

»So ein Mist!« Alexandra stand da und starrte auf den Bildschirm. »Konnen Sie mir das da bitte als Tabelle ausdrucken, Bruder Andreas?«, fragte sie dann.

Der Monch nickte und beugte sich wieder uber die Tastatur.

»Ich mochte Wildens Weg Schritt fur Schritt aufgelistet haben«, erklarte sie, »und zwar in der Reihenfolge, in der er von den Leuten gesehen wurde. Vielleicht hat ja noch jemand Bernd Wildens zufriedenen Gesichtsausdruck bemerkt und hat irgendeine Erklarung dafur.«

Der Drucker auf dem Beistelltisch erwachte zum Leben und spuckte kurz darauf zwei Blatter aus, die Alexandra an sich nahm.

»Danke, Bruder Andreas«, sagte sie und drehte sich zu Tobias und dem alteren Monch um. »Wir werden zuerst mit Assmann sprechen, danach nehmen wir uns die Mitarbeiter vor.« Sie uberflog die Liste und schuttelte den Kopf. »Von Ihren Brudern hat ihn sonst niemand gesehen, also mussen wir mit ihnen auch nicht reden. Aber mit den Gasten … Sagen Sie, Bruder Johannes … Ich befurchte, dass diese Befragungen mehr als eine halbe Stunde in Anspruch nehmen werden. Das hei?t, wir werden nicht vor zehn Uhr fertig sein. Lasst es sich irgendwie einrichten, dass heute Abend ausnahmsweise der Strom etwas spater abgestellt wird?«

»Ja, sicher, das ist kein Problem«, beteuerte der Monch. Er gab Bruder Andreas ein Zeichen, sich darum zu kummern, woraufhin der wieder zum Telefonhorer griff und einen der anderen Monche anrief.

»Gut, Ihnen beiden vielen Dank«, sagte sie und nickte Tobias zu, der noch schnell sein Glas Trappistenbier austrank, ehe er sich zu ihr gesellte.

»Na, dann wollen wir mal!«, brummte er. »Wird bestimmt eine angenehme Plauderrunde!«

»In seinem Quartier finden Sie Herrn Assmann jetzt aber nicht«, rief Bruder Andreas den beiden nach, bevor sie das Zimmer verlassen konnten. »Er ist in Saal II …«

»Dort findet heute Abend doch der zweite Teil unseres Schweigeseminars statt«, warf Bruder Johannes irritiert ein. »Herr Assmann kann nicht einfach bei Teil zwei einsteigen, wenn er den ersten Teil versaumt hat!« Seinen beiden Gasten erklarte er: »Teil zwei vertieft die Grundlagen des konstruktiven Schweigens aus dem ersten Teil, aber ohne dieses Grundlagenwissen ist es nicht moglich, die Ubungen des zweiten Teils zu verinnerlichen. Er … er stort dort nur die anderen! Bruder Markus kann den Kurs unter solchen Umstanden doch gar nicht zu Ende fuhren!«

»Bruder Markus ist langst nicht mehr im Kurs«, lie? der jungere Monch ihn leise wissen.

»Nicht mehr im Kurs? Was soll das hei?en?«

»Er … er hat vor einer Viertelstunde die Flucht ergriffen.« Nach kurzem Schweigen erganzte Bruder Andreas: »Vor Herrn Assmann.«

»Vor einer Viertelstunde?«, warf Tobias ein. »Woher wissen Sie das? Da waren Sie doch hier bei uns.«

Der jungere Monch sah ihn mit reumutiger Miene an und hielt sein Handy hoch. »Bruder Markus hat uns allen eine SMS geschickt, um uns mitzuteilen, dass er den Kurs unterbrochen hat.«

Bruder Johannes zog das Mobiltelefon aus der Tasche seiner braunen Kutte. »Oh, tatsachlich, da ist eine SMS. Davon hatte ich gar nichts mitbekommen.« Er offnete sie und stutzte, dann sagte er ein wenig pikiert zu Bruder Andreas: »Ich darf wohl davon ausgehen, dass er den Namen Assmann nur versehentlich verkehrt geschrieben hat.«

»Ganz sicher«, erwiderte Bruder Andreas. Er schien jedoch ein Grinsen unterdrucken zu mussen. Bruder Johannes schuttelte betrubt den Kopf. »Es ist schon weit gekommen, wenn unsere Gaste mit ihrem Verhalten meine Bruder in die Flucht schlagen konnen. Wie dem auch sei. Ich werde auf jeden Fall mit Bruder Markus reden. Er kann doch nicht einfach seine Pflicht vernachlassigen – egal, wie Assmann sich aufgefuhrt hat!«, schimpfte er. »Frau Berger, Herr Rombach, ich nehme an, Sie begeben sich jetzt gleich zu Saal II?«

»Ja, wir wissen schlie?lich nicht, wann die Gruppe morgen abreisen wird, daher …«, begann Tobias.

Der altere Monch schuttelte den Kopf und hob eine Hand. »Sofern Herr Assmann nicht etwas anderes bestimmt, werden die Leute erst am Montag abreisen. Das Programm, fur das sie sich entschieden hatten, ist zu umfangreich, um es an einem Wochenende zu absolvieren. Anreise am Freitag, Abreise am Montag, schlie?lich soll das Ganze auch in Ruhe geschehen.« Er zog die Schultern hoch. »Den Weg zur inneren Ausgeglichenheit findet man nicht, wenn man sich einem Termindruck aussetzt, sondern nur durch die Ruhe selbst.«

»Das leuchtet ein«, erwiderte Tobias. »Trotzdem sollten wir auf unsere Fragen so bald wie moglich eine Antwort bekommen. Schlie?lich mochten wir den Kreis der Verdachtigen auch mal irgendwann einengen konnen.«

»Das verstehe ich nur zu gut«, sagte Bruder Johannes.

Kater Brown sa? nun schon seit geraumer Zeit vor der Kuchentur im hinteren Teil des Refektoriums und wartete ungeduldig darauf, dass ihm endlich jemand seine Futterschale fullte. Naturlich hatte er auch eine Maus oder einen unachtsamen Vogel fangen konnen, aber nach diesem aufregenden Tag stand Kater Brown nicht der Sinn nach korperlicher Ertuchtigung. Und uberhaupt, was waren denn das fur neue Sitten? Normalerweise bekam er doch um diese Zeit sein leckeres Feuchtfutter serviert!

Plotzlich horte er Schritte. Endlich! Er spitzte die Ohren und drehte den Kopf in die Richtung, aus der die Gerausche kamen. Ein Mann bog um die Ecke. Leider war es nicht der, der ihn normalerweise futterte. Dennoch lief Kater Brown ihm ein Stuck entgegen und strich ihm um die Beine. Dabei lie? er ein klagliches Miauen horen, das ihm diesmal besonders gut gelang, wie er zufrieden feststellte.

»Oh, du hast bestimmt Hunger, nicht wahr, mein Kleiner?«, sagte der Mann und ging langsam weiter, um ihm nicht wehzutun.

Kater Brown folgte ihm begeistert bis zur Kuchentur.

»Du wei?t, in die Kuche darfst du nicht mit hinein. Warte hier, ich bringe dir etwas ganz besonders Leckeres.«

Kater Brown setzte sich hin und fuhr sich mit der Zunge uber den Bart. Jetzt wurde es nicht mehr lange dauern. Hm, etwas ganz besonders Leckeres hatte der Mann ihm versprochen! Geduldig wartete der Kater, den Blick starr auf die Kuchentur gerichtet. Endlich wurde sie geoffnet, und der Mann trat wieder zu ihm.

»Hier«, sagte er, buckte sich und stellte ihm einen Teller hin.

Die Fleischbrocken waren von einer dunklen So?e bedeckt und rochen noch verlockender als sonst. Wie schlau, dass er auf das Futter von den Menschen gewartet hatte! So gut rochen Mause nicht – und sie schmeckten auch nicht so lecker.

»Guten Appetit«, wunschte der Mann ihm noch, sah ihm einen Moment beim Fressen zu und ging dann davon.

Weil Kater Brown so sehr mit dieser ungewohnten Kostlichkeit beschaftigt war, entging ihm der seltsame Glanz in den Menschenaugen.

Entschlossen klopfte Alexandra an die Tur zu Saal II und druckte die Klinke hinunter. Im hell erleuchteten Raum sa?en Wildens ehemalige Mitarbeiter im Halbkreis zusammen. Vor ihnen hatte sich Assmann aufgebaut, fuchtelte mit den Armen und redete auf sie ein. Alexandra horte Begriffe wie »Motivation«, »Teamarbeit« und »Wir-Gefuhl«, ehe Kurt Assmann zu ihr und Tobias herumfuhr.

»Was soll denn das?«, fragte er ungehalten. »Wir sind hier in einer Dienstbesprechung!«

»Und wir suchen einen Morder«, entgegnete Alexandra ruhig. Sie hatte nicht vor, sich von Assmann unterkriegen zu lassen, und war entschlossen, ihm das auch zu zeigen. »Ihre dienstliche Besprechung muss ein paar Minuten warten, aber ich wei? ja, wie sehr gerade Sie, Herr Assmann, daran interessiert sind, dass Herrn

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