wieso sind Sie am Freitag eigentlich nicht zu diesem Kloster-Wochenende mitgekommen?«
Assmann lachelte spottisch. »Ich hatte mich schon gefragt, wann Ihnen das wohl auffallen wurde. Aber die Erklarung ist ganz einfach: Der Aufenthalt hier soll die Teamfahigkeit der Mitarbeiter untereinander fordern. Ich als Herrn Wildens Stellvertreter stehe nicht auf der gleichen Ebene wie die anderen, wenn Sie verstehen, was ich meine. Deshalb war
Die Blicke seiner Kollegen im Hintergrund sprachen Bande.
»M-hm, das leuchtet ein, findest du nicht, Alexandra?«, sagte Tobias, und in seinen Augen funkelte es belustigt. Doch sie winkte nur ab und trat wortlos auf den Flur hinaus.
»Oh Mann«, schnaubte sie leise, nachdem die Tur hinter ihnen ins Schloss gefallen war und sie weitergegangen waren. »Der Kerl ist ja fast noch schlimmer als Wilden! Diese ma?lose Selbstuberschatzung!«
Tobias bemerkte lachelnd: »Gegen den muss ich dir doch eigentlich wie der sympathischste Mann auf Erden erscheinen, oder?«
»Oh ja, das kannst du laut sagen«, antwortete sie, aber nur Sekunden spater stutzte sie. Das war ihr nur so rausgerutscht!
»Danke fur das Kompliment«, meinte er grinsend, beugte sich vor, und ehe sie sich’s versah, kusste er sie auf die Wange.
Sie verzog den Mund. »Du bist
»Ach, ein kleines bisschen schon«, raumte er augenzwinkernd ein. »Aber hochstens so viel.« Dabei zeigte er mit Daumen und Zeigefinger einen halben Zentimeter an.
»Wenigstens gibst du das zu. Das ist schon einmal ein Anfang.«
»Was? Der Kuss?«
»Hor auf, mich absichtlich falsch zu verstehen!«, murrte sie, musste jedoch unwillkurlich lacheln. Im Vergleich zu Wilden und Assmann war Tobias tatsachlich ein Schatz – aber auch wirklich nur im Vergleich zu den beiden, sagte sie sich dann. Ansonsten war er nicht ihr Typ.
»Wo ist eigentlich Kater Brown?«, fragte Alexandra und sah sich um. Sie hatte ihn nicht mehr gesehen, seit sie das Refektorium verlassen hatten und zu Bruder Johannes in die Verwaltung gegangen waren. »Erst verfolgt er mich auf Schritt und Tritt, und jetzt lasst er sich gar nicht mehr blicken!«
»Er wird halt mit irgendeiner wichtigen Katzenangelegenheit beschaftigt sein«, meinte Tobias und zuckte mit den Schultern.
»Komm, wir sehen uns mal um, ob wir ihn irgendwo finden konnen«, entschied sie. »Sonst bekomme ich die ganze Nacht kein Auge zu.«
»Du tust gerade so, als ware er schon seit Jahren dein treuer Begleiter.«
»Na und? Er ist mir eben ans Herz gewachsen. Das kannst du naturlich nicht verstehen«, sagte Alexandra ungehalten und wandte sich wieder zum Gehen.
Sie nahmen den Weg, den sie gekommen waren, und stiegen dann ins Erdgeschoss hinunter.
»Kater Brown? Kater Brown, wo bist du?«, rief Alexandra immer wieder, doch der Kater tauchte nicht auf. Im Kloster herrschte vollige Stille, obwohl die Gange noch hell erleuchtet waren. Wildens Mitarbeiter hielten sich offenbar nach wie vor in Saal II auf. Die Monche hatten sich zweifellos langst in ihre Zimmer zuruckgezogen, immerhin war es inzwischen halb elf.
Alexandra blieb stehen und lie? den Blick durch den Korridor links von ihr schweifen, aber auch dort fehlte jede Spur von Kater Brown.
»Vielleicht wartet er ja vor deinem Zimmer auf dich«, schlug Tobias vor.
»Okay, dann sieh du da bitte schnell nach, ja? Ich werfe noch einmal einen Blick ins Foyer und in den Speisesaal.«
Der Empfang war um diese Uhrzeit nicht mehr besetzt, und das Buro dahinter war in Dunkelheit getaucht. Alexandra trat durch den an einen Torbogen erinnernden Durchgang ins Refektorium. Der weitlaufige Raum war menschenleer, und auch hier war Kater Brown nicht zu entdecken. Auf Alexandras Rufe blieb alles still. Dennoch wurde sie das Gefuhl nicht los, dass hier irgendetwas nicht stimmte.
Langsam ging sie weiter bis zu der letzten Bankreihe. Auf einmal spurte sie, wie ihr Herz schneller klopfte und sich ihr die Harchen auf den Armen aufstellten.
Und da sah sie ihn! Vor Schreck stockte ihr der Atem.
Kater Brown!
Das Tier lag auf dem kalten Steinboden. Vor ihm stand ein Teller mit ein paar Fleischbrocken, die in einer So?e schwammen.
Alexandra naherte sich dem Kater, der auf ihre Rufe noch immer nicht reagierte. Er hatte die Augen fest geschlossen und ruhrte sich nicht! Sie spurte, wie ihr ein Schluchzen in die Kehle stieg, als sie neben Kater Brown auf die Knie sank und ihn vorsichtig beruhrte. Doch nichts geschah!
»Nein!«, flusterte sie entsetzt. »Bitte nicht!«
14. Kapitel
Jemand hatte Kater Brown … vergiftet! Alexandras Blick streifte erneut den Teller mit der So?e, und sie spurte, wie ein Zittern ihren Korper uberlief. Wer hatte das getan … und warum? Noch einmal stupste sie den Kater sachte an, aber er reagierte nicht. Tranen traten in ihre Augen, die sie hastig wegzublinzeln versuchte. Auf einmal stutzte sie. Da war doch …
Hatte sie sich das gerade nur eingebildet oder … atmete Kater Brown noch schwach? Sie beugte sich vor und legte behutsam das Ohr auf den weichen Katzenkorper. Nein, sie hatte sich nicht geirrt, der Kater atmete tatsachlich noch! Als Alexandra vorsichtig die Hand auf den schmalen Brustkorb legte, entfuhr ihr ein Laut der Erleichterung. Kater Browns kleines Herz schlug noch, wenn auch langsam, wie es ihr erschien.
Mit zitternden Handen zog sie das Handy aus der Hosentasche und wahlte Tobias’ Nummer. Zum Gluck meldete er sich schon nach dem zweiten Klingelton. »Komm in den Speisesaal, wir mussen zum Tierarzt! Sofort!«, rief sie aufgeregt und unterbrach die Verbindung.
Auf einem der hinteren Tische entdeckte Alexandra einen Stapel Tischdecken, die wohl fur das Fruhstuck am nachsten Morgen bereitgelegt worden waren. Als sie mit drei Decken unter dem Arm zu Kater Brown zuruckeilte, kam gerade Tobias in den Saal gesturmt, dicht gefolgt von Bruder Johannes, der offenbar dem aufgeregten Tobias begegnet und ihm gefolgt war.
»Was ist denn los?«, rief Tobias ihr zu.
»Hier!«, entgegnete sie. »Hinter dem Tisch!«
Wahrend sie den reglosen Kater vorsichtig aufhob und ihn in die Decken bettete, horte sie Tobias’ unterdrucktes Stohnen. »Ist er … Ist er …?«
»Nein«, erwiderte sie. »Zum Gluck lebt er noch.« So behutsam sie konnte, hob sie das Deckenbundel mit dem Kater auf den Arm. Der kleine Katzenkorper fuhlte sich ganz schlaff an, als lage er in tiefer Narkose. Alexandra wies mit dem Kopf auf den Teller mit den Fleischbrocken. »Nimm du den da und komm mit!« Sie zwang sich zu einem ruhigeren Tonfall und wandte sich an Bruder Johannes: »Wo finden wir den nachsten Tierarzt?«
»Um diese Zeit?« Der Monch schuttelte ratlos den Kopf. »Ja … da mussen Sie nach Neuerburg zu Doktor Erzbauer. Warten Sie, ich suche Ihnen die Adresse raus.« Noch wahrend er redete, lief er vor ihnen her in Richtung Foyer.
»Du fahrst«, entschied sie. »Ich kummere mich unterwegs um Kater Brown.«
Bruder Johannes hielt ihnen einen Zettel hin, auf dem er in aller Eile die Adresse des Tierarztes sowie die Fahrtroute vermerkt hatte. »Das sind ungefahr zwanzig Kilometer, also werden Sie wohl um die funfundzwanzig Minuten benotigen. Ich werde Doktor Erzbauer anrufen und Sie ankundigen«, sagte er und eilte mit ein paar ausholenden Schritten zur Tur, um sie aufzuschlie?en und sie ihnen aufzuhalten.
Tobias offnete kurz darauf die Wagentur und klappte den Sitz zuruck. »Ich nehme an, du mochtest mit dem kleinen Kerl hinten sitzen.«