»Eine SMS von Assmann: Bekomme gleich Hr. Wildens Laptop ausgehandigt

»Von wem?«, wollte Tobias wissen.

»Das schreibt er nicht.«

»Dann unterhalten wir uns sofort mit ihm, wenn wir zuruck im Kloster sind.«

Es war bereits nach Mitternacht, als sie auf den dunklen Parkplatz des Klosterhotels einbogen und den Polo parkten.

Alexandra sah kurz zu ihrem Auto hinuber. »Guck mal, Assmann scheint fur die Ubergabe weggefahren zu sein. Jedenfalls steht sein Cabrio nicht mehr auf dem Platz neben meinem Auto. Heute Mittag parkte er doch dort.« Sie stieg aus und ging ein paar Schritte, bis Tobias bei ihr war. »Ich kann es gar nicht fassen, dass jemand versucht hat, Kater Brown zu vergiften … und vielleicht ist es ihm sogar gelungen. Aber wer macht so was … und vor allem: warum?«

»Verruckte gibt es uberall«, erwiderte Tobias mit sanfter Stimme. »Das ist ja das Schlimme.«

»Nein, ich halte das nicht fur die Tat eines Verruckten. Hast du den Teller gesehen? Das waren keine Kuchenabfalle und auch kein Katzenfeuchtfutter, sondern in kleine Wurfel geschnittenes Rindfleisch ohne Fett oder Sehnen. Das muss jemand extra beschafft und sorgsam mit Gift prapariert haben. Und dann diese seltsame So?e! Ich fand ja, sie roch fischig.«

»Wenn es nicht das Werk eines Verruckten war – welchen Sinn sollte der Giftanschlag denn sonst haben? Kater Brown ist nicht gerade der Typ Zeuge, den man zum Schweigen bringen muss. Schlie?lich kann er nicht zur Polizei gehen und den Tater anzeigen.«

»Vielleicht soll der Anschlag eine Art Warnung sein«, gab sie zuruck. »Oder aber: Kater Brown wei? wirklich noch etwas, das dem Morder gefahrlich werden kann.« Alexandra stutzte. »Au?erdem haben wir noch eine neue Erkenntnis uber den Tater gewonnen. Er hat offenbar nicht im Affekt gehandelt, sondern ist bereit weiterzumachen. Und wenn er den Kater so einfach vergiftet, scheint er auch vor einem weiteren Mord nicht zuruckzuschrecken.«

Tobias schaute sie nachdenklich an. »Aber wer konnte das sein? Wer geht so weit? Wer gewinnt bei der Sache? Assmann? Will er uns davon abbringen, nach Wildens Morder zu suchen?«

»Es muss nicht Kurt Assmann sein. Es kann jeder von Wildens Truppe gewesen sein. Oder einer der Monche …«

Tobias blieb stehen und schuttelte den Kopf. »Das ist jetzt aber nicht dein Ernst, oder? Die Monche wurden doch nicht ihr eigenes Maskottchen umbringen.«

»Uberleg mal, der Kater hat uns auf die Leiche im Brunnen aufmerksam gemacht, in den so schnell wohl niemand einen Blick geworfen hatte, ware Kater Brown nicht auf die Idee gekommen, dieses Theater auf dem Brunnenrand zu veranstalten.«

»Sicher, doch fruher oder spater hatte man die Leiche trotzdem gefunden.«

»Das ja«, stimmte sie ihm zu. »Aber die Leiche ware nicht heute Morgen gefunden worden, sondern vielleicht nachste Woche. Moglicherweise wurde der Tote zu fruh entdeckt, und der Tater muss jetzt Zeit schinden.«

Tobias seufzte leise.

Alexandra fuhr fort: »Denk mal daran, woruber wir gesprochen haben, als wir heute Morgen aus dem Zimmer von Bruder Johannes kamen. Wir unterhielten uns daruber, dass wir es wohl Kater Brown zu verdanken haben, dass wir einen Blick in den Brunnenschacht geworfen haben. Als wir das Zimmer verlie?en, war da dieser andere Monch, dieser Bruder … Harald …?«

»Hartmut, wenn ich mich nicht irre«, warf Tobias ein.

»Ja, richtig, Bruder Hartmut! Er stand da und horte uns uber Kater Brown reden. Kurz darauf hat der Kater mich in den Keller gefuhrt, wo ich Bruder Dietmar und Bruder Siegmund belauscht habe, wie sie wegen irgendeiner Sache stritten, die Bruder Johannes nicht erfahren soll. Kater Brown hat sich im Keller vor eine Tur gesetzt, als wartete er darauf, dass ich sie ihm offne. Die beiden Monche haben mir zwar diese Geschichte von der vertauschten Bettwasche aufgetischt, doch ich bin mir sicher, es steckt irgendetwas anderes dahinter. Moglicherweise hat es mit dem zu tun, was sich hinter dieser Tur im Keller befindet. Wenn Bruder Hartmut ebenfalls eingeweiht ist, dann konnten die drei auf die Idee gekommen sein, den Kater aus dem Weg zu raumen, damit er mich … uns nicht zu der Sache fuhrt, die sie sogar vor Bruder Johannes geheim halten wollen.« Sie lie? eine kleine Pause folgen. Schlie?lich fuhr sie fort: »Die Frage ist naturlich, ob der Mord an Wilden uberhaupt mit dem Geheimnis der Monche in Zusammenhang steht. Ich meine, es konnte ja auch purer Zufall sein, dass Wilden von irgendeinem seiner Angestellten ermordet wird und dass gleichzeitig irgendetwas in diesem Kloster vertuscht werden soll.«

»Und Bruder Johannes? Verdachtigst du ihn auch, den Giftanschlag auf Kater Brown verubt zu haben?«

»Nein«, sagte sie. »Zugegeben, komisch war das eben schon. Erst schickt er uns zu diesem Doktor Erzbauer, und gerade als wir dort angekommen sein mussten, ruft er an und erzahlt uns, dass der Arzt tot ist. Aber Doktor Erzbauer hat in Neuerburg praktiziert, nicht in Lengenich, und im Kloster gibt es au?er Kater Brown keine Tiere. Also wird Bruder Johannes einfach nicht gewusst haben, dass Doktor Erzbauer gar nicht mehr lebt.«

»Und trotzdem hast du ihm gegenuber von einem Tierarzt gesprochen, der Kater Brown jetzt behandelt. Und du hast auch nicht den Namen Paressi erwahnt. Wieso?«

»Weil ich verhindern will, dass es unserem Unbekannten doch noch gelingt, Kater Brown zu toten. Ich wei? nicht, mit wem Bruder Johannes uber den Giftanschlag sprechen wird, aber wenn derjenige, der den Kater vergiftet hat, herausfindet, wo das Tier in Behandlung ist …« Sie unterbrach sich kurz. »Nicht, dass der Giftattentater noch einmal zuschlagt.«

Tobias atmete seufzend aus. Die Wolkendecke riss auf, und im fahlen Licht der Sterne gingen sie ein Stuck und lehnten sich schlie?lich Seite an Seite gegen den Holzzaun, der um den Parkplatz herum verlief. »Hm, ich wei? nicht. Das ware doch ein wenig riskant … Und deine Theorie von der Verschworung der Monche scheint mir auch weit hergeholt zu sein.«

Eine Weile schwiegen sie, wahrend jeder mit seinen eigenen Gedanken beschaftigt war. Alexandra legte den Kopf in den Nacken. »Sieh dir nur diese Sterne an! Ist das nicht ein unglaublich schoner Anblick? Und so ruhig. Dort oben gibt es keine Hektik, wie wir sie seit heute Morgen ohne Pause erleben.«

»Was mich so fasziniert, ist die Tatsache, dass wir immer nur die Vergangenheit sehen. Ich wei? gar nicht, wie Menschen allen Ernstes glauben konnen, anhand der Sterne die Zukunft voraussagen zu konnen, wenn die Sterne einem doch ein Bild zeigen, das Jahrtausende alt ist.«

Alexandra warf ihm einen fragenden Seitenblick zu.

»Na, die Sterne sind doch zigtausend Lichtjahre entfernt, und das Licht, das wir jetzt gerade sehen, ist schon vor zigtausend Jahren auf die Reise zu uns gegangen. Wenn wir heute Nacht da oben einen Alien beobachten konnten, der ein Schild mit der Aufschrift Helft uns! hochhalt, dann kame jede Hilfe von unserer Seite zu spat, weil die Welt des Au?erirdischen vielleicht bereits vor drei?igtausend Jahren untergegangen ist. Denn uberleg mal, selbst wenn wir in der Lage waren, so schnell wie das Licht durchs All zu reisen, wurden wir fur diese Strecke drei?igtausend Jahre benotigen, und dann waren bei unserer Ankunft sechzigtausend Jahre seit dem Moment vergangen, als dieser Alien sein Schild hochgehalten hat.«

»So habe ich das Ganze noch nie betrachtet.«

»Tja, ch bringe dich eben auf ganz andere Gedanken.« Alexandra schaute ihn an, dann wieder weg.

Tobias rausperte sich. »Ich …«

Als er verstummte, wandte sie ihm den Kopf zu und schaute ihn erneut an. Obwohl es dunkel war, meinte sie, im fahlen Sternenlicht einen merkwurdigen Ausdruck in Tobias’ Augen zu bemerken.

»Ja?«, brachte sie ein wenig heiser heraus. Unschlussig biss sie sich auf die Unterlippe.

Was war los mit ihm? Und was war mit ihr selbst los? Was hatte er ihr sagen wollen? Vielleicht war das einer dieser Momente, die etwas zu bedeuten haben. Sollte sie nachhaken? Doch dann verlie? sie der Mut und sie senkte den Blick.

Tobias setzte noch einmal zum Reden an. »Alexandra, ich …«

»Ja?« Alexandra schluckte.

»Ich muss Dir etwas sagen …« Plotzlich traf ihn unvermittelt ein greller Lichtstrahl ins Gesicht, sodass Tobias die Augen zusammenkneifen musste.

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