weil sie Bruder Johannes nicht darauf aufmerksam machen wollte. Sie beschloss, erst selbst hinter das Geheimnis der beiden Monche zu kommen.
Sie musste versuchen, spater noch einmal in den Keller zu gelangen und sich allein umzusehen. Immerhin wusste sie jetzt, wo die Kellerschlussel aufbewahrt wurden. Irgendwie wurde es ihr schon gelingen, sie an sich zu nehmen.
»Kommen Sie, es geht noch weiter«, sagte Bruder Johannes und ging zielstrebig zur nachsten Tur.
Alexandra drehte sich kurz zu Tobias um und zwinkerte ihm zu, um ihn wissen zu lassen, dass sie auf etwas gesto?en war. Er folgte ihr mit einem kleinen Schulterzucken.
Als sie den nachsten, deutlich kleineren Kellerraum betraten, entfuhr Alexandra ein leiser Schreckenslaut, standen doch hier vier Steinsarge, die denen aus ihrem Albtraum ahnelten. Aber der Raum wurde von Neonrohren recht gut ausgeleuchtet, sodass sich Alexandras Beklommenheit schnell verfluchtigte.
»Hier ruhen die Gebeine der Grundervater unseres Klosters«, erlauterte Bruder Johannes und nannte die Namen der vier Monche. »Dieser Raum ist sozusagen noch ein wenig heiliger als der Rest des Klosters.«
Tobias schaute sich in dem kleinen Kellerraum um. »Sieht nicht so aus, als hatte jemand diesen Ort entweiht.«
Sie gelangten in einen Korridor, der links vor einem Holzverschlag endete, wie man ihn in praktisch jedem Keller fand. »Was ist da drin?«, wollte Alexandra wissen.
»Unser Mobellager«, antwortete Bruder Johannes. »Da stapeln sich schon seit Jahren Tische und Stuhle, au?erdem Sitzbanke und Schranke in allen Gro?en.« Er ging hin und schloss das Vorhangeschloss auf, dann offnete er die Tur. »Wer dort heutzutage noch etwas verstecken will, muss schon uber besondere Fahigkeiten verfugen«, sagte er und winkte die beiden zu sich. Dann zeigte er auf die Wand aus
ubereinandergestapelten Tischen. »Das ist das Werk einiger Theologiestudenten, die uns Mitte der Neunzigerjahre besucht hatten. Weil sie alle kraftige junge Manner waren, haben wir sie gebeten, die nicht benotigten Mobel doch in diesen Kellerraum zu schaffen. Sie haben ganze Arbeit geleistet, wie man sieht … und uns einen kleinen Streich gespielt. Als nur noch dieser letzte Fleck hier vorne frei war, haben sie mit vereinten Kraften die ineinander verschachtelt gestapelten Tische in die Hohe gestemmt und dann diesen Beistellschrank da unten in die entstandene Lucke geschoben. Wollte man den Schrank herausholen, musste man erst einmal die Tische hochheben und fortschaffen. Dazu sind wir aber nicht in der Lage. Und wenn wir es versuchen wurden, liefen wir Gefahr, unter dem zusammenbrechenden Turm aus Tischen begraben zu werden.«
»Da kann tatsachlich niemand etwas verstecken«, stellte Tobias fest.
Alexandra drehte sich um, und ihr Blick fiel auf eine Rampe, die vom Erdgeschoss bis hinunter in den Keller verlief. »Was ist das fur eine Rampe?«
»Sie verbindet die Kuche mit dem Vorratsraum da druben, damit nicht alles umstandlich uber die Treppe nach unten und nach oben geschafft werden muss«, erklarte Bruder Johannes, der bereits die schwere Metalltur aufschloss. »Das ist allerdings das Reich von Bruder Dietmar und Bruder Siegmund. Die beiden haben die Kuche unter sich. Das ist eine Sache, um die ich mich nicht kummere.«
Alexandra nickte. Die Worte des Monchs bestatigten ihren Verdacht, das Bruder Dietmar und Bruder Siegmund etwas hinter seinem Rucken trieben, das nichts mit vertauschter Bettwasche zu tun hatte. Irgendetwas lief in der Kuche des Klosterhotels ab, wovon Bruder Johannes nichts wissen durfte.
»Das ist der Vorratsraum«, sagte der Monch, nachdem er das Licht eingeschaltet hatte. »Da druben sind die Kuhltruhen, dahinter lagert unser wertvolles Bier. Dort sind die Konserven, daneben das selbst Eingelegte … eben alles, was man in der Kuche benotigt.«
»Darf ich einen Blick in die Kuhltruhen werfen?«, fragte Alexandra.
Bruder Johannes zog argwohnisch eine Augenbraue hoch. »Wenn Sie mogen …«
Alexandra trat zur ersten Kuhltruhe und hob den Deckel an. »Alles in Ordnung«, sagte sie, als sie auch in die dritte Truhe einen prufenden Blick geworfen hatte und zu den beiden Mannern zuruckkam. »Darin ist auch nichts versteckt worden, was uns weiterhelfen konnte. Jedenfalls nichts, was so offensichtlich ist, dass es mir ins Auge gesprungen ware.« Als sie den Vorratsraum verlie?en, fiel ihr Blick auf eine Tur an der gegenuberliegenden Wand. »Wohin fuhrt diese Tur?«
»Normalerweise ins Kellergewolbe der Kapelle«, lie? Bruder Johannes sie wissen. »Allerdings ist der Durchgang zurzeit geschlossen, weil die Kapelle renoviert wird. Es soll verhindert werden, dass jemand unbemerkt die Baustelle betritt und verletzt wird.« Er schloss die Tur auf, sodass sie im Schein der Neonrohren im angrenzenden Gang erkennen konnten, dass eine Holzwand den Weg in die Kapelle versperrte.
Auch hier wanderte Alexandras Blick unauffallig zum Fu?boden, so wie es in allen Kellerraumen der Fall gewesen war, seit sie im Archiv auf etwas aufmerksam geworden war. Ihr Nicken wirkte wie eine Reaktion auf Bruder Johannes’ Erklarungen. In Wahrheit jedoch fand sie eine Vermutung bestatigt. »Tja, das war jetzt alles sehr interessant«, sagte sie und sah unauffallig zu Tobias. »Aber ich glaube, hier ist nichts, das uns einen Hinweis auf Wildens Morder geben konnte. Trotzdem herzlichen Dank, Bruder Johannes, dass wir uns hier umsehen konnten.«
»Das ist doch selbstverstandlich«, erwiderte der Monch.
Sie gingen die Rampe hinauf und gelangten durch eine weitere Tur, die von Bruder Johannes aufgeschlossen werden musste, in die Kuche. Zwei Monche waren eben damit beschaftigt, das benutzte Fruhstucksgeschirr zu spulen. Die beiden drehten sich um und murmelten uberrascht einen Gru?, doch dann widmeten sie sich gleich wieder ihrer Arbeit.
Bruder Johannes fuhrte sie durch den Speisesaal zuruck ins Foyer, dann hangte er den Bund mit den Kellerschlusseln zuruck an das Schlusselbrett hinter dem Empfangstresen.
»Kann ich sonst irgendetwas fur Sie tun, um Ihnen bei Ihren Nachforschungen behilflich zu sein?«, wollte er wissen. Alexandra kam es so vor, als wirkte er ein wenig bekummert.
»Im Augenblick nicht«, antwortete sie. »Aber machen Sie sich deshalb keine Vorwurfe, wenn das der Grund fur Ihre etwas … bedruckte Stimmung ist.«
»Oh, nein, obwohl ich zugeben muss, dass es mir sehr zusetzt, dass in unserem Klosterhotel ein Mann zu Tode gekommen ist und ein Tier vergiftet wurde und es uns nicht gelingt, den Tater zu fassen. Ehrlich gesagt plagt mich die Angst, der Morder konnte abermals zuschlagen.« Er stockte. »Musste er nur Herrn Wilden toten, oder steht auf seiner Liste noch ein anderer Name? Hatte er von vornherein vor, Kater Brown zu vergiften? Oder ist ihm der Kater bei irgendetwas in die Quere gekommen? Muss in diesem Haus noch jemand um sein Leben bangen?« Er seufzte. »Wenn Sie etwas uber Kater Browns Zustand erfahren, sagen Sie mir bitte Bescheid, ja?«
»Das werden wir«, versicherte Tobias ihm.
Kaum hatte der Monch das Foyer verlassen, sah sich Alexandra aufmerksam um. Am Empfang versah Bruder Andreas im Augenblick den Dienst, und es war unmoglich, den Bund mit den Kellerschlusseln unbemerkt an sich zu bringen. Es war nicht einmal neun Uhr, verriet ihr ein Blick auf die Uhr. »Komm, setzen wir uns drau?en noch einen Moment auf die Bank. Vor neun mochte ich nicht in der Praxis anrufen. Und wenn wir zuruckkommen, sehen wir uns noch einmal auf eigene Faust im Keller um.«
Tobias verzog den Mund zu einem schiefen Grinsen. »Wie du meinst. Ich nehme ja an, dass ich fruher oder spater eine Erklarung nachgereicht bekomme.«
»Wenn du lieb bist …«
Die Luft war noch nicht allzu warm, und die Bank, die an dem schmalen Weg zur Kapelle stand, wurde nur zum Teil von der Sonne beschienen. Alexandra wahlte den Platz im Schatten und sah uberrascht zu, wie Tobias sich neben sie setzte und gelassen die Beine ubereinanderschlug.
»Ich kann warten«, sagte er. »Fruher oder spater wirst du’s mir erzahlen. Weil du sonst noch platzt.« Er lachte und zwinkerte ihr zu. »Nein, im Ernst, ich finde, wir zwei sind ein gutes Team. Wir sollten ofter zusammenarbeiten.«
Sie warf ihm einen verwunderten Blick zu. Doch bevor sie etwas erwidern konnte, kam Tina Wittecker auf sie zugestockelt.
»Hallochen, zusammen«, rief sie frohlich. »Nanu, Sie gonnen sich eine Pause? So mu?ig kenne ich Sie ja gar nicht.«
»Wir warten darauf, in der Tierarztpraxis anrufen zu konnen«, erklarte Alexandra. »Und welche ›Entschuldigung‹ haben Sie, dass Sie schon wieder den Kloster-Unterricht schwanzen?«
»Ich habe keine Lust auf gemeinschaftliches Drachensteigen. Die Ubung soll den