»Es hatte mit einem Affenfotus zu tun.«

Sie starrte Siri an, wie man eine Eidechse anstarren wurde, die mit blo?en Zehen eine Dose Corned Beef zu offnen versucht. »Ha?«

»Hat er Ihnen nichts davon erzahlt?«

»Wir haben nur selten uber Affen gesprochen.«

»Eine schwangere Vietnamesin hatte ein totes Affenbaby zur Welt gebracht. Hat er das Ihnen gegenuber nicht erwahnt?«

Die Frau sah Dtui an. »Hat Ihr Gro?vater sie noch alle?«

Dtui seufzte und sprach ganz langsam, denn die Frau war anscheinend nicht besonders helle. »Es gab da ein vietnamesisches Hausmadchen«, sagte sie. »Sie kochte fur die Ingenieure, die am Bau des Krankenhauses beteiligt waren.« Die Frau rammte die armen kleinen Schosslinge jetzt buchstablich in den Boden. »Kannten Sie sie?«

Die Korperhaltung der Frau sagte Ja. »Was wissen Sie uber sie?«

Genosse Sounsaks ehemalige Verlobte hob den Kopf und funkelte die ungebetenen Besucher wutend an. »Was ich uber sie wei?? Ich wei?, dass sie eine Hure war, die anderen Frauen die Manner reihenweise ausgespannt hat, eine Hure und ein Teufel. Genugt Ihnen das?«

Siri warf Dtui einen Blick zu, der sie formlich aufzufordern schien, die nachste Frage zu stellen. Sie tat ihm den Gefallen.

»Was hat die Schlampe Ihnen angetan?«, fragte sie.

Fraulein Bong kehrte Siri den Rucken zu und richtete ihre giftspruhenden Augen auf Dtui. »Sie hat regelrecht Jagd auf sie gemacht – Manner, die in einer glucklichen, liebevollen Beziehung lebten. Sie hat ihnen ihre vietnamesischen Hangetitten gezeigt, ein paarmal mit ihrem fetten Arsch gewackelt, und schon war es um sie geschehen.«

»Diese Hure«, bekraftigte Dtui. »Und Ihr Verlobter …?«

»Den hat sie sich genauso geangelt. Und als sie schwanger wurde, wer war da wohl so dumm, sich hinzustellen und die Vaterschaft anzuerkennen? Sie war das Tintenfass auf dem Schreibtisch des Zahlmeisters. Es dauerte keine vier Wochen, und samtliche Manner im Dorf hatten ihren Federkiel in ihr versenkt, aber nur mein Sounsak war so damlich, es auch zuzugeben.«

»Und?«

»Sie hat das Blag bekommen. Er hat es sogar eigenhandig zur Welt gebracht.«

»Lebend?«, fragte Siri.

»Leider.«

»Was ist aus den beiden geworden?«

»Sie sind noch in derselben Nacht durchgebrannt. Als waren sie unsterblich verliebt. Ich hab ihn nie wieder gesehen.« Ihre Augen schimmerten feucht.

»Wie schrecklich«, sagte Siri und nickte, obwohl aus seiner Miene vor allem Faszination zu sprechen schien. »Wissen Sie, ob zwischen ihr und den beiden Kubanern etwas vorgefallen ist?«

»Aber ja. Sie konnte die beiden auf den Tod nicht ausstehen.«

»Weil sie etwas gegen Schwarze hatte?«

»Ach, sie hatte es auch mit denen getrieben. Aber die beiden waren als Einzige schlau genug, dem Teufel aus dem Weg zu gehen. Sie probierte es mit allen Tricks, kriegte die beiden Jungs aber ums Verrecken nicht in ihr Bett. Sie hat immer wieder damit geprahlt, dass sie den Gro?en uber kurz oder lang zwischen ihre Schenkel bekommen wurde. Als ihr ganzes Pogewackel nicht zum gewunschten Erfolg fuhrte, versuchte sie es mit dem Kleineren, aber auch der wollte nichts von ihr. Also erzahlte sie uberall herum, sie ware – Sie wissen schon – mit ihm zusammen.«

»Das hat sie gesagt?«, fragte Siri.

»Sie gehorte zu der Sorte Frau, die davon uberzeugt ist, dass ihr ein richtiger Mann nicht widerstehen kann.«

Auf der Fahrt zuruck ins Gastehaus musterte Dtui ihren Chef. Er hatte diesen glasigen Blick, der ihr schon des Ofteren aufgefallen war. »Meinen Sie, wir sind der Wahrheit ein Stuck naher gekommen?«

»Das wird sich weisen, teure Assistentin.«

»Vielleicht hat sie gelogen.«

»Schon moglich.«

»Oder ihr Verlobter hat ihr nicht erzahlt, was wirklich passiert ist. Vielleicht wollte er sie schonen.«

»Auch das ware denkbar. Aber es gibt da, glaube ich, noch eine andere Moglichkeit.«

»Gut, wenn ich den Schock uberwunden habe, uber Nacht steinalt geworden zu sein, komme vielleicht auch ich dahinter. Was machen wir jetzt?«

»Schlafen. Wir sollten uns aufs Ohr hauen. Ich muss noch rasch mit Vientiane telefonieren, und dann hoffe ich auf den einen oder anderen Traum. Ihr Verlobter wird um diese Zeit wohl nicht mehr auf uns warten. Morgen fruh machen wir eine kleine Spritztour. Wenn sich die Dinge so entwickeln, wie ich es mir vorstelle, musste der Fall spatestens morgen Abend geklart sein. Eigentlich konnten wir auch noch einen Tag langer bleiben und uns das Konzert anhoren, ohne uns allzu gro?e Vorwurfe machen zu mussen, weil wir Herrn Geung so lange allein gelassen haben. Ich wette, der arme Kerl langweilt sich in der Pathologie zu Tode.«

»Hallo?«

»Hallo?«

»Civilai?«

»Ja, wer ist da?«

»Die Kaiserinwitwe von China.«

»Siri? Bist du’s? Die Leitung ist erbarmlich. Gott, du horst dich an, als wurdest du in einem Schmalzbottich stehen.«

»Ja. Das ist mein neuestes Steckenpferd. Habe ich dir gefehlt?«

»Warum? Bist du verreist?«

»Ich bin in Houaphan.«

»Im Ernst? Dann sehen wir uns ubermorgen. Ich komme zum Konzert.«

»Du wirst doch hoffentlich nicht singen.«

»Nein. Ich fuhre nur meinen exotischen Tanz auf. Du wei?t schon, den mit der Federboa?«

»Dann werde ich vorher tunlichst nichts Fettiges zu mir nehmen. Pass auf, du musst mir einen Gefallen tun.«

»Ofter mal was Neues.«

»Kennst du jemanden, der Spanisch spricht?«

»Ja, warum?«

»Wie spat ist es in Kuba?«

Die Krahe und die Spatzin lagen in dem matschigen Reisfeld und atmeten nur noch schwach. Ihre Augen waren glasig. Zwei Manner beugten sich uber sie: der Lehrer und der Schuler. Hinter ihnen stand ein alteres Paar, schwarzer als die Nacht ringsum. Die Frau legte dem jungen Mann die Hand auf die Schulter. Der Lehrer nickte, und der dunkelhautige Novize hob die Vogel behutsam auf und legte die Hande wie zum Gebet aneinander. Nun presste er die Handflachen zusammen, sachte erst, und dann, als die beiden Vogel eins wurden, verschrankte er die Finger und druckte zu, bis ihnen ein Rauchfetzen entstieg und gen Himmel waberte. Er offnete die Hande, und die Vogel, das Paar und der Lehrer waren verschwunden. Nur der Novize blieb zuruck. Er lachelte dem Traumenden zu und machte sich dann daran, Siri langsam, ohne Worte zu erklaren, was er soeben mit angesehen hatte. Als die Morgensonne aufging, sah der Doktor vieles klarer.

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