„Nun — das einzige brennbare Material in dieser Zelle war die Flussigkeit aus dem Feuerzeug. Um sich so zu entzunden, mu? sie fast ganz verdampft sein und sich mit genau der richtigen Luftmenge vermischt haben, was in einem solchen Raum auch sehr gut moglich war. Ich eigentlich verstehe nur nicht, warum er alles hinausgelassen hat.“

„Er hat Teile des Feuerzeugs verwendet“, stellte Floyd fest.

„Der lose Brennstoff war moglicherweise nur ein Nebenprodukt seiner Aktivitaten. Er war sogar noch dummer als ich. Ich brauchte lange genug, um zu erkennen, da? Feuer Luft zum Brennen braucht — und keine Konvektionsstromung entwickelt, die es mit Sauerstoff versorgt, wenn es keine Schwerkraft gibt.“

„Genauer gesagt, wenn es kein Gewicht gibt“, wandte Mayhew ein. „Wir sind immer noch im Schwerkraftfeld der Erde, aber im freien Fall. Konvektionsstrome entstehen, weil das erhitzte Gas leichter pro Volumeneinheit ist als das andere und deshalb steigt. Ohne Gewicht und ohne oben oder unten sind solche Luftstrome unmoglich.“

„Jedenfalls mu? er geglaubt haben, wir wollten ihn mit unbrennbaren Flussigkeiten zum Narren halten.“

„Die Menschen werden in einem bestandigen Schwerkraftfeld geboren und wachsen darin auf“, sagte Mayhew langsam.

„Und sie betrachten all die Manifestationen dieses Schwerkraftfelds als selbstverstandlich. Es ist sehr schwer, alle Konsequenzen vorherzusehen, die sich ergeben, wenn man auf die Schwerkraft verzichtet. Und ich bin hier schon seit Jahren, beinahe ohne Unterbrechung, und immer noch glaube ich, da? hier eine Schwerkraft existiert, wenn ich ubermudet bin oder gerade aufwache.“

„Sie hatten einen Raumfahrer schicken sollen. Der hatte den Auftrag vielleicht besser erledigt, als dieser Bursche.“

„Wie hatte er denn die Station betreten sollen? Ein Mann ist entweder ein Raumfahrer oder ein Spion — wenn er beides gewesen ware, dann ware er meiner Meinung nach zu alt fur diesen Job gewesen. Beide Berufe verlangen jahrelanges, hartes Training, denn man mu? sich nicht nur Wissen aneignen, sondern auch Gewohnheiten — zum Beispiel die Gewohnheit, standig in der Nahe einer festen Wand oder eines anderen massiven Gegenstands zu bleiben.“

Mayhew kicherte, als er den letzten Satz sprach, und eine Lachsalve aus den Mundern der anderen Manner folgte. Floyd blickte sich verwirrt um und errotete.

Er hing hilflos mitten in der Luft, weit entfernt von jedem Gegenstand, an dem er hatte Halt finden konnen — oder hinter dem er sich hatte verstecken konnen. Doch dann brachte er es zuwege, in das Gelachter einzustimmen. Als es verstummt war, blickte er noch einmal in Harts Zelle und sagte: „Wenn das die schlimmste Gefahr ist, die mir meine Unerfahrenheit einbringt, dann darf ich mich nicht beklagen. Bruce, wenn Sie das nachstemal die Erde besuchen, mochte ich mitkommen. Ich mu? Sie ganz einfach im Schwerkraftfeld sehen. Ich wette namlich, Sie werden nicht auf eine Leiter warten, wenn wir aus der Rakete steigen. Wie Sie andeuteten, Gewohnheiten sind schwer abzulegen.“

DER ERNTEPLANET

„Du enttauschst mich“, sagte der Aufseher erregt. „Ich habe sowohl eine personliche als auch eine berufsma?ige Abneigung gegen verschwenderisch betriebene Farmen, und diese hier ist auf dem besten Weg, ein Paradebeispiel einer solchen Farm zu werden.“ Er legte eine kurze Pause ein und beobachtete die spharoidischen Beete, die langsam um den Zentralstrahler kreisten.

„Naturlich ist deine Handlungsweise an dieser Situation schuld.“ Mit einer Handbewegung brachte er den gemurmelten Protest seines jugendlichen Zuhorers zum Verstummen. „Oh, ich wei?, da? junge Leute lernen mussen und da? Experimente die beste Wissensquelle darstellen. Aber warum verwendest du nicht die Resultate der Experimente anderer? So etwas ist schon einmal passiert, du hattest nur nachforschen mussen.“

„Das wu?te ich nicht“, lautete die murrische, nur von widerwilligem Respekt getragene Antwort. „Wie hatte ich es auch wissen sollen?“

„Hast du eine Erziehung genossen oder nicht?“ fragte der Aufseher hitzig. „Ich kann mir gar nicht vorstellen, was die Grundschullehrer heutzutage eigentlich machen. Obwohl du noch sehr jung bist, so horte ich doch, da? du gewisse Qualifikationen in der Landwirtschaft besitzt. Deshalb dachte ich, man konnte dir ein paar Jahre lang ohne Aufsicht vertrauen. Warst du vielleicht mit dem Ertrag dieser Farm nicht zufrieden? Sag mir einmal genau, was du getan hast. Hast du versucht, die Leistung des Zentralstrahlers zu vergro?ern?“

„Was glauben Sie eigentlich von mir?“ fragte der Student aufbrausend.

Der Aufseher blieb ruhig, und in seinem Gesicht zeigten sich Spuren von Heiterkeit.

„Reg dich wieder ab. Du wei?t, da? die Leute immer wieder den erwahnten Trick versuchen. Manchmal funktioniert er so gar, und deshalb glauben sie immer wieder, er ist einen Versuch wert. Aber wenn es das nicht war, was hast du dann getan?

Dir fehlt eine Kultivierungsanlage, wenn ich mich an dieses Sonnensystem richtig erinnere.“

Der Student brauchte ein paar Sekunden, um die passenden Worte zu finden.

„Manche dieser Landereien schienen geradezu ideal zu sein.

Als sie sich zuerst festigten, waren sie gerade weit genug vom Strahler entfernt und gerade gro? genug, um einen dunnen Oberflachenfilm aus leichteren Elementen zu bilden, und das entsprach wunderbar der Kultivierung der Gewachse auf Wasserbasis.

In den kalteren Teilen erzielte ich schone Erfolge mit Ammoniakkulturen.“

„Gut moglich, bei dieser Art von Beeten. Trotzdem bemerkte ich, da? ein paar davon leer sind. Ist das ein weiteres Resultat deines Experiments?“

„Indirekt, ja“, sagte der junge Farmer ein wenig besorgt. „Da war ein anderer Fleck, ein gutes Stuck weiter drau?en und kalter als mein Idealplatz. Aber er war zu warm fur Ammoniakwachstum und zu klein, um ihn mit dem Druck zu versehen, den er gebraucht hatte — zumindest, soweit ich das beurteilen kann“, fugte er hastig hinzu. „Und da der Fleck an Ort und Stelle nicht von Nutzen sein konnte, dachte ich, es ware eine gute Idee, ihn naher heran zu befordern.“

Der Klassenaufseher hatte ein wenig von seiner Heiterkeit verloren.

„Und wie hattest du das schaffen wollen? Die Energie, die dazu vonnoten gewesen ware, hatte das X-fache deiner Korperenergie betragen. Ich glaube kaum, da? dir das gelungen ist.“

„Nein. Ich dachte auch nicht, da? das notig sei. Ich glaubte, da? die Anlage selbst die Energie ohne ernsthaften Verlust aufbringen konnte.“

„Ich verstehe“, lautete der Kommentar. „Weiter!“

„Nun — ich ging also hinein und stellte eine konvertierte Reaktion ein. Ich loste sie, so gut ich konnte, an der Vorderseite der Anlage aus, obwohl das ein bi?chen schwierig war — das Ding drehte sich wie wild. Vielleicht war das der Grund, warum zuviel Energie frei wurde. Oder vielleicht war die Kugel auch nicht so schwer, wie ich angenommen hatte.“

„Du meinst, du wu?test nicht, wie schwer sie war? Ist etwas mit deinem Verstand nicht in Ordnung? Wie alt bist du eigentlich?“

„Funfzehn.“ Der murrische Ton, der verschwunden war, als der Junge sich bei seiner Erzahlung erwarmt hatte, kehrte wieder.

Der Klassenaufseher bemerkte es und erkannte, da? er vielleicht zu wenig taktvoll gewesen war. Aber unter diesen Umstanden fuhlte er sich berechtigt, ein wenig seine Emotionen zu zeigen.

„Funfzehn Jahre auf welcher Skala?“

„Auf der galaktischen.“

„Hm. Weiter.“

„Der Gro?teil der Kugel verfluchtigte sich, und was sich nicht verfluchtigte, wurde vollig aus dem Schwerkraftbereich dieses Systems geschleudert. Der Rest — nun, der kreist immer noch um das Heizzentrum, in verschiedenen Bahnen, aber man kann nicht mehr viel damit anfangen.“

Eine Pause trat ein, wahrend die beinahe nutzlose au?erste Anlage den Raum zwischen den beiden Gesprachspartnern durchlief, weit weg von der gluhenden Gaskugel, die sie mit unwiderstehlichen Schwerkraftfingern festhielt. Der Aufseher kochte nicht direkt vor Zorn. Das war schwierig fur einen Korper, der gro?tenteils aus Methan und Sauerstoff nahe dem absoluten Nullpunkt bestand — aber sein Temperament siedete.

Nach einer Weile sprach er wieder.

„Fangen wir also noch einmal von vorn an. Du hast einen Sklaven geschickt, mit der Nachricht, da? du die Gewalt uber deine Farm verloren hast, und mit der Bitte um Rat. Hast du etwa so viel Zeit damit verbracht, eine deiner Anlagen zu zerstoren, da? die anderen Gewachse sich entwickeln konnten, die dir nicht schmecken? Ich habe das Gefuhl, meine Sympathie fur dich wird immer geringer.“

„Nein — es ist nicht so, da? ich das Zeug nicht mag. Aber ich kann es nicht essen.“ Der Junge war nun ebenfalls wutend. Der Aufseher schluckte und konnte es nicht mehr vermeiden, da? sein letzter Rest von Beherrschung schwand.

„Du kannst es nicht essen? Das ist naturlich sehr schlimm.

Du erlaubst sicher, da? ich mir ein Probemuster dieser absto?enden Chemikalie mitnehme — oder vielleicht bist du so freundlich und zeigst mir, womit du dich die ganze Zeit ernahrt hast. In dieser Gegend fliegt kaum genug herum, um dich satt zu kriegen — und deine ganze Sklavenherde. Womit hast du die denn gefuttert? Vielleicht solltest du einem anderen diese Farm ubergeben und dich auf einen Forschungsjob auf einer Treibwolke versetzen lassen. Dann kannst du dir dein Essen aus einem Schleier frei schwebender Atome zusammensuchen. Ach, diese Jugend“

„Ich habe von den Ammoniakanlagen gegessen. Und die Sklaven auch.“

„Sehr gut. Dann sehe ich mir jetzt einmal deine Wasserkultur an. Dort scheinst du ja Schwierigkeiten zu haben. Du mu?t nicht mitkommen, ich kenne den Weg. Der dritte Platz, vom Strahler aus gerechnet.“ Er wandte sich abrupt ab und wartete gar nicht auf eine Antwort.

Und der Student setzte auch gar nicht zu einer Entschuldigung an. Er lie? ihn ohne ein Wort der Warnung gehen.

Naturlich machte es keinen Unterschied, ob er gesprochen hatte oder nicht. Der Aufseher war verargert und hatte vielleicht gar nicht auf ihn gehort. Seine Aufmerksamkeit teilte sich zwischen seiner eigenen Wut und dem Zustand der verschiedenen Platze, wahrend er sich dem Zentralstrahler naherte.

Nur langsam ebbte sein Arger ab.

Er mu?te zugeben, da? es in den Au?enanlagen zu kalt fur chemische Aktionen war, au?er fur Lebensprozesse, die aber zu langsam abliefen, um nutzlich zu sein. Die Tatsache, da? der Junge alles nur Erdenkliche angestellt hatte, um Wachstum zu erreichen, sprach fur ihn. Eine Gewachsanlage schwang vorbei, ganz langsam.

Die nachsten beiden, die er entdeckte, entbehrten jeden brauchbaren Wachstums. Er erinnerte sich, da? der Student zugegeben hatte, dies konne ein indirektes Resultat seines Experiments sein. Der Aufseher konnte aber nicht den Zusammenhang erkennen. Die Anlagen selbst sahen auch bei einer naheren Inspektion unbeschadigt aus, und der Student selbst konnte sie unmoglich leergegessen haben, auch nicht bei einem Riesenhunger. Naturlich, die Sklaven konnten — aber vorlaufig wollte er den Jungen noch nicht beschuldigen, da? er seine Sklaven zu wenig unter Kontrolle hatte. Es war ihnen nicht einmal erlaubt, sich einer Kulturanlage zu nahern, und sie erhielten ihre Essensration von ihrem Master.

Die Anlagen waren ziemlich gro?, obwohl sie nicht die gro?ten des Systems waren. Die festen Massen lagen unter Schleiern von Wasserstoffverbindungen. Vergebens suchten die Sinne des Aufsehers nach den komplizierten Verbindungen, die die bevorzugte Nahrungsart seiner Gattung darstellten. Verschiedene kleinere Anlagen umgaben die gro?eren, aber auf keiner entdeckte er die leichten gasformigen oder flussigen Elemente, die fur die E?kulturen erforderlich waren.

Die nachste Anlage sah sehr interessant aus, wenn er schon sonst nichts Bemerkenswertes daran entdecken konnte. Im Gegensatz zu den anderen besa? sie einen Halo von kleinen Parti keln, die uber der Atmosphare schwebten. Sowohl auf der Oberflache als auch in der Atmosphare gediehen die Kulturen.

Der Aufseher blieb stehen. Wieder einmal mu?te er zugeben, da? der Junge seine Sache gar nicht so schlecht gemacht hatte.

Sein Arger kuhlte sich ab, wahrend er seine Inspektion der Anlage fortsetzte, hie und da Probemuster mitnahm und gelegentlich von den Kulturen kostete! Als er die Grenzen der Atmosphare

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