Dann war ich nahe genug beim dritten Planeten, um mit der Ernte beginnen zu konnen — zumindest ware ich es unter normalen Umstanden gewesen. Ich versuchte es, aber ich konnte mich nicht lange genug auf einen Aktionskurs konzentrieren.
Das Bombardement nahm kein Ende. Mir fehlen die Worte, es zu beschreiben. Ich war ganz in der Nahe der reichsten Anlage, die ich je gesehen hatte, und ich war nicht imstande, auch nur ein Stuck davon zu beruhren.
Es war schon viel Zeit verstrichen, seit sie zum letztenmal abgeerntet worden war, und so hatten sich auf ihrer Oberflache Substanzen entwickelt, die mir vollig unbekannt waren. Es gab naturlich Kohlehydrate, Oxyde und kohlensaure Salze, wie man sie auf jeder Farm findet. Aber es gab auch Proteine von so phantastischer Zusammensetzung, wie man es sich nicht vorstellen kann. Ihre Emanationen trieben mich beinahe zum Wahnsinn. Bei dieser Temperatur mu?ten sie sich sehr rasch bilden, und sie waren zu einem noch nie dagewesenen Grad entwickelt. Und ich konnte nichts davon kosten!
Aber ich konnte sie fuhlen, und trotz der Schmerzen, die mir das Meteorbombardement zufugte, blieb ich ein paar hundert Sonnenumlaufe lang in der Nahe des Planeten, umkreiste ihn unschlussig. Es schien mir nicht lange, aber es genugte, meinen Korper so zu zerstoren, da? jetzt keine Rettung mehr moglich ist. Erst als meine Sinne nachlie?en, war ich imstande, mich von dem Planeten abzuwenden und mich bis hierher durchzukampfen.
Es gelang mir mit letzter Kraft, in eine Umlaufbahn einzuschwingen, die au?erhalb des hollischen Halos der Planetenfragmente liegt, und dann und wann brachte ich genug Energie auf, um nach Hilfe zu rufen, aber ich wu?te, da? es sinnlos war. Auch wenn Sie fruher gekommen waren, fur mich ware es auf jeden Fall zu spat gewesen.
Aber ich lebe noch, um Sie warnen zu konnen. Gehen Sie nicht in den Kreis des alten funften Planeten. Blicken Sie auch nicht in diesen Kreis hinein, denn wenn Sie fuhlen, was diese ungeerntete dritte Welt enthalt, werden Sie in Ihr Verderben gezogen werden.“
Der Sklave schwieg, und der Aufseher dachte uber seine Erzahlung nach, wahrend sie um die Sonne kreisten. Ihm fiel keine gerechte Strafe fur den Studenten ein, dessen Nachlassigkeit zu dieser Situation gefuhrt hatte. Die Grausamkeit, endlose Sklavenherden in den sicheren Tod zu treiben, erregte ihn nicht besonders. Um so mehr aber die Verschwendung dieser Sklaven.
Die Vorstellung, da? Hunderte von toten Korpern um die Sonne trieben und immer mehr zusammenschmolzen, je naher sie dem Perihelium kamen, bis nichts mehr von ihnen ubrigblieb als ein paar lose Partikel mit hohem Schmelzpunkt, war eine Beleidigung fur seinen okonomischen Sinn. Auch mu?te man die Tatsache in Betracht ziehen, da? die beste Farmanlage des Systems offensichtlich unzuganglich geworden war. Ebenso durfte man nicht ignorieren, da? zumindest ein Sklave in die Hohen des Denkens vorgesto?en war.
Naturlich mu?te man alles erst untersuchen, bevor man den Studenten mit Anklagen konfrontierte. Nur die letzte Tatsache, da? ein Sklave gedacht hatte, konnte man bereits jetzt als objektiv richtig ansehen.
Abrupt wandte sich der Aufseher von dem Sklaven ab — sonnenwarts.
Die sterbende Kreatur sah ihn davongleiten, rief noch einmal um Hilfe und schwieg dann fur immer, als ein lonenstrahl sie traf. Einen Augenblick lang bereute der Aufseher diese impulsive Handlungsweise — nicht aus Dankbarkeit fur die Warnung, der er wenig Bedeutung beima? und die ohnehin zu den Pflichten des Sklaven gehort hatte, sondern ganz einfach, weil er impulsiv, statt uberlegt gehandelt hatte. Aber dann dachte er, da? die Kreatur ihm nicht viel mehr hatte erzahlen konnen, selbst wenn sie bis zu seiner Ruckkehr uberlebt hatte.
Er hatte es nicht eilig. Von der Schwerkraft des Zentralstrahlers lie? er sich zur Kreisbahn des Riesenplaneten tragen. Seine Sinne durchforschten die Raumsphare, die vor ihm lag und in der der Tod lauerte. Aus dieser Entfernung wirkte alles harmlos.
Er beobachtete die inneren Planeten, die rasch ihre Bahnen zurucklegten, und sah, da? der Sklave die Wahrheit gesprochen hatte, als er von einem Begleitkorper des dritten Planeten gesprochen hatte. Aber ansonsten schien der Raum leer.
Trotzdem lie? er nicht die Vorsicht au?er acht. Was fur Sklaven todlich war, konnte fur einen Master unangenehm oder sogar gefahrlich werden.
An der Kreisbahn des funften Planeten hielt er an und begann mit einer sorgfaltigen Inspektion des gefahrlichen Raumes.
Die kleinen Korper waren tatsachlich da. Tausende. Sie schienen die Kreisbahn des alten funften Planeten zu bevorzugen, wie der Sklave gesagt hatte. Es gab offenbar keinen Grund, warum er nicht seine Geschwindigkeit so einrichten konnte, da? er Zusammensto?e mit Tausenden von Asteroiden vermied.
Trotzdem war es unklug, sich in mogliche Gefahr zu begeben, ohne einen vernunftigen Grund. Besser beurteilte er schon in seiner jetzigen Position, ob ein solcher Grund gegeben war.
Seine feinen Sinne spurten trotz der halben Milliarde Meilen, die zwischen ihm und dem au?ersten Punkt der Kreisbahn des dritten Planeten lag, die uppige Farmanlage. Er behielt seine Position bei und konzentrierte seine ganze Aufmerksamkeit auf sie.
So nahe am Zentralstrahler, drehte er sich sehr rasch. Sein Problem ahnelte dem eines Mannes, der einen Freund auf einem Karussell ausmachen will — angenommen, der Freund drehte sich nicht nur mit dem Karussell, sondern auch auf seinem Sitz um sich selbst.
Es kostete den Aufseher nur ein paar Umdrehungen seines Korpers, um sich der Situation anzugleichen, und die Details drangen immer deutlicher in sein Bewu?tsein. Grimmig gab er zu, da? der Sklave nicht ubertrieben hatte.
Die Anlage war fabelhaft.
Substanzen, deren Namen er nicht kannte, drangten sich seinen analytischen Sinnen auf, die dem Geschmacks- und Geruchssinn entsprachen. So fremdartig sie auch fur ihn waren, so konnte er doch erkennen, da? es sich um Nahrung handelte, geladen mit Energie, mit faszinierenden Geschmacksrichtungen, in noch nie dagewesenem Grad gehaltvoll. Gewachse, die in dieser Reichhaltigkeit und Vielfalt sich auf keiner der gewohnlichen Erntewelten der Galaxis entwickeln konnten.
Der Beobachter fragte sich, ob es sich nicht lohnen wurde, auch andere Farmen fur ein paar Jahre sich selbst zu uberlassen.
Sein gro?tes Laster war allerdings die Gefra?igkeit. Aber auch die Asketen seiner Spezies waren beim Fuhlen dieses Planeten in unkontrollierbare Versuchung geraten.
Er bereute beinahe, da? er ein paar Tonnen Nahrung von seinem Planeten mitgebracht hatte. Aber er sagte sich rasch, da? er ja einiges davon verbraucht hatte, um dem Sklaven zu helfen.
Und er wurde noch mehr verbrauchen, wenn er wirklich in die mit hoheren Temperaturen ausgestatteten Zonen nahe der Sonne vordrang.
Sein Gewicht war gro?, aber seine Normaltemperatur war so niedrig, da? die Lebensprozesse unglaublich langsam abliefen.
Fur ihn kam eine chemische Reaktion, die ein paar Jahrtausende dauerte, einer Dynamitexplosion gleich. Ein paar Pfund von organischen Verbindungen futterten seinen meilenbreiten Leib fur viele Menschenalter.
Beinahe willenlos lie? sich der Aufseher in die asteroide Zone treiben und rationalisierte im Flug seinen Appetit. Es kostete ihn nur wenig Aufmerksamkeit, einen parabolischen freien Fall durch das System zu vollfuhren, dessen Perihelium eine Tangente zur Kreisbahn des dritten Planeten bildete. Bei dieser Entfernung von der Sonne war der Unterschied zwischen parabolischen Geschwindigkeiten und Kreisbahngeschwindigkeiten nicht so gro?, und so entdeckte er auch die kleinsten Partikel rechtzeitig genug, um ihnen ausweichen zu konnen. Aber das anderte sich, als er sonnenwarts fiel.
Vielleicht hatte er mit seiner Willenskraft gerechnet, die naturlich der des Sklaven, der ihn gewarnt hatte, uberlegen war.
Wenn das so war, so hatte er die Effekte einer ebenso uberlegenen Vorstellungskraft vergessen. Der dritte Planet ubte auf ihn eine viel starkere Anziehung aus als auf den Sklaven, und als er den sich drehenden Planeten sah, wurde er durch den ersten Zusammensto? aus einer fast hypnotischen Trance gerissen.
Das erweckte in ihm die Erkenntnis, da? seine naturliche Uberlegenheit, die er gegenuber der Sklavenrasse besa?, ihn nicht vor ernsthaften Schwierigkeiten schutzen konnte.
Der Raum rund um ihn — er befand sich nun innerhalb der Umlaufbahn des vierten Planeten — war von staubkornerkleinen Meteoren erfullt, und jeder, wie er an der Korperoberflache des Sklaven gesehen hatte, konnte einen Krater in einen Korper graben. Einzeln waren sie ungefahrlich. Aber in diesen Mengen waren sie todlich.
Abrupt wandte er seine Aufmerksamkeit wieder dem unmittelbaren Problem des Uberlebens zu. Er anderte seinen Kurs und fiel wieder in die sichere Leere des interstellaren Raumes zuruck. Aber dem Zauber des Feinschmeckerparadieses, das er gefuhlt hatte, konnte er sich nicht so leicht entziehen. Eine Zeitlang hielt er an, wahrend der dritte Planet den Zentralstrahler umlief und seine Fre?sucht und seine Todesangst abwechselnd die Oberhand in ihm gewannen. Alleine ware er wahrscheinlich verloren gewesen. Aber der Student hatte ein Gewissen.
„Sir!“ Die Stimme drang schwach, aber deutlich in sein Bewu?tsein.
„Bleiben Sie nicht dort! Das durfen Sie nicht! Ich hatte sie nicht kommen lassen sollen — aber ich war argerlich.
Ich wei?, ich war ein Narr. Ich hatte Ihnen alles sagen sollen.“
„Ich habe es erfahren. Es war mein Fehler.“ Es fiel dem Aufseher schwer zu sprechen. „Ich kam aus freiem Willen, und ich glaube noch immer, da? dieser Planet eine Untersuchung wert ist.“
„Nein! Es ist nicht Ihr freier Wille — kein Wille kann frei bleiben, nachdem sein Eigentumer gesehen hat, was dieser Planet zu bieten hat. Ich wu?te es, und ich erwartete, da? Sie sterben wurden. Aber ich brachte es nicht fertig… Kommen Sie, rasch! Ich helfe Ihnen.“
Der Student befand sich in einer Kreisbahn, die fast identisch mit der des Aufsehers war, obwohl er noch viel weiter drau?en war. Vielleicht war es die Umdrehung, die der Aufseher voll fuhrte, um nach dem Studenten zu sehen und seinen Blick von dem verlockenden Objekt unter ihm abzuwenden, die ihn schwanken lie?. Was immer es war, der Student profitierte davon, es gelang ihm, den Bann zu brechen.
„Schauen Sie nicht wieder hin, Sir. Schauen Sie mich an, und folgen Sie mir. Oder wenn Sie mich nicht ansehen wollen, schauen Sie das dort an!
Er zeigte deutlich in die Richtung, und der benommene Aufseher blickte beinahe unfreiwillig hin.
Das Ding, das er sah, war deutlich erkennbar. Es hatte einen kleinen Kern, wie seine Sinne automatisch analysierte. Es bestand aus Methan und anderen Kohlenwasserstoffen, ein wenig freiem Sauerstoff, und kleine Teile von schweren Elementen durchsetzten es wie Rosinen einen Pudding. Ein Halo von mehreren Tausenden Meilen Umfang umgab es, das aus den sich verfluchtigenden Teilen seiner Substanz bestand. Das Ding bewegte sich in einer elliptischen Bahn von der Sonne weg und zeigte keine Anzeichen einer intelligenzbedingten Kontrolle.
Es war ein toter Sklave, aber es hatte ebenso ein toter Master sein konnen.
Ein toter Sklave war ein Nichts. Aber das, was ihn getotet hatte, konnte ihn genauso toten.
Es geschah zum erstenmal in seinem unglaublich langen Leben, da? er sich der Moglichkeit des Todes gegenubersah. Und wahrscheinlich konnte nichts anderes als Furcht sein Leben retten.
Den Studenten dicht neben sich, folgte er dem duster gluhenden Korper bis zum au?ersten Punkt seiner Bahn. Und als der Korper wieder zuruck in den Todeshalo zu fallen begann, der den so harmlos aussehenden Planeten umhullte, glitt er weiter in die freundliche Dunkelheit.
Vielleicht konnte man eines Tages diesen dritten Planeten doch abernten, dachte er.
Es ist keine sehr gute Gruppe von Studenten, dachte Wright. Es war immer das gleiche. Wenn er Gluck mit dem Bobachtungswetter hatte, war niemand da, um die Dinge zu wurdigen, die er sah. Er warf einen bedauernden Blick zur Kuppel des Sechzig- Zoll-Teleskops, wo ein Student eine andere Platte vorspannte.
Trotzdem, die Nacht war gut. „Mr. Wright! Ist das eine Wolke oder Aurora?“ „Wenn Sie damit aufhoren, uber die gegenwartige Position der Sonne unter dem Horizont nachzudenken, werden Sie entdecken, da? der Lichtfleck, auf den Sie zeigen, diesem Punkt direkt gegenuberliegt. Er liegt also im Weg des Erdschattens, wenn auch jenseits davon. Er wird Gegenschein genannt und ist, wie das Zodiakallicht, in diesem Breitengrad fur gewohnlich nicht sichtbar. Wir haben das Licht vor einiger Zeit gesehen, wenn Sie sich erinnern konnen, an einem Abend, als wir fruher mit den Beobachtungen begannen. Tatsachlich ist der Gegenschein eine Fortsetzung des leuchtenden Bandes, das wir Zodiakallicht nennen. Das letztere kann manchmal wahrend seines ganzen Weges rund um den Himmel bis zu dem Punkt verfolgt werden, den wir gerade beobachten.“
„Und was verursacht den Gegenschein und das Zodiakallicht?“
„Die vernunftigste Erklarung ist, da? sie Lichter sind, die von kleinen, festen Partikeln reflektiert werden, von Meteoren. Offensichtlich dehnt sich eine Wolke solcher Teile in einiger Entfernung von der Erdumlaufbahn aus — wie weit entfernt, ist schwer zu sagen. Je weiter die Wolke von der Sonne entfernt ist, desto schwacher kann man sie sehen, wie ja auch zu erwarten ist. Ausgenommen den Fleck, den wir Gegenschein nennen.“