eingetroffene Vorrate oder als Lagerraum. Es wurde auf der einen Seite von einem Korridor umgeben, von dem luftdichte Turen in die Kohlendioxyd-Raume fuhrten, und auf der anderen Seite von normalen Turen, die in die anderen Lagerraume abgingen. Hart wunderte sich uber diese riesigen Lagerraume. Dann wurde seine Aufmerksamkeit von etwas anderem in Anspruch genommen. Er wollte sich gerade den Korridor hinabgleiten lassen, auf der Suche nach Zweigkorridoren, die zum Treibstofflager fuhrten als ihm ein winziger Fleck an der einen Wand ins Auge stach.
Sofort trat er naher, um ihn genauer zu betrachten, und erkannte ihn rasch als photoelektrisches Auge. Es schien keine Linse vorhanden zu sein, was auf eine Strahleneinrichtung schlie?en lie?. Aber der Strahl selbst war nicht sichtbar. Auch konnte Hart keinen Projektor entdecken. Das bedeutete, da? es lebenswichtig war, den Strahl zu vermeiden. Er blieb stehen, um nachzudenken.
Im Beobachtungsraum auf der zweiten Ebene kicherte Dr. Bruce Mayhew laut.
„Es ist gro?artig, einen Uberheblichkeitskomplex zu haben.
Er ist zum erstenmal stehengeblieben — und er schien keine Zweifel an seiner Sicherheit zu hegen, bevor er das Auge sah.
Anscheinend wirken die alten Phrasen von dekadenten Demokratien noch immer. Er mu? eher ein militarischer Agent sein als ein Wissenschaftler.“
Warren Floyd nickte.
„Wissenschaftler oder nicht, fur einen solchen Job sucht man keinen Idioten aus. Glauben Sie, da? er Explosivstoff bei sich tragt? Ein Mann allein kann kaum genug Chemikalien bei sich haben, um eine Anzahl von Lecks in der au?eren Hulle zu verursachen.“
„Vielleicht hofft er, ins Zentrum zu gelangen und einen Sprengkopf zu offnen“, erwiderte der altere Mann, „obwohl ich mir nicht vorstellen kann, wie er das erwarten kann. In seiner Nahe ist eine Riesenmenge Treibstoff, naturlich. Aber der ist nur fur Torpedos. Fur uns also ungefahrlich.“
„Ein Feuer ware sehr unangenehm, auch wenn keine Explosion zustande kommt“, bemerkte der Assistent. „Besonders, weil alles aus fast purem Magnesium besteht. Ich wei?, es ist sundteuer, solche Massen von der Erde zu transportieren, aber ich wunschte, sie hatten diese Station aus irgendeinem Material gebaut, das weniger hitze- und Sauerstoffempfindlich ist.“
„Keine Angst“, erwiderte Mayhew. „Er wird kein Feuer zustande bringen.“
Floyd blickte auf die zuckenden Bildschirme, die bewaffnete Manner zeigten, wie sie in Parallelkorridoren mit dem Agenten Schritt hielten, und nickte.
„Ich nehme es auch nicht an — vorausgesetzt, Ben und seine Mannschaft sind nicht zu langsam, wenn wir das Signal geben.“
„Sie meinen, wenn ich das Signal gebe“, sagte der andere.
„Ich habe meine Grunde, ihn solange wie moglich frei agieren zu lassen. Je langer er frei ist, eine desto schlechtere Meinung wird er von uns haben. Wenn wir ihn dann uberraschend schnappen, wird er keine Gelegenheit zum Selbstmord haben, und der plotzliche Zusammenbruch seines Selbstvertrauens wird die Befragung erleichtern.“
Floyd hoffte im stillen, da? nichts passieren moge, was der Zuversicht seines Vorgesetzten schaden konnte, aber klugerweise sagte er nichts. Und die beiden Manner beobachteten Harts weitere Bewegungen fast schweigend wahrend der nachsten Minuten. Hie und da sprach Floyd ein oder zwei Worte mit der Suchtruppe, um sie uber den jeweiligen Standort seines Opfers zu informieren. Aber kein anderer Laut unterbrach das angespannte Warten.
Endlich hatte Hart einen Korridor gefunden, der von dem abzweigte, den er bisher entlanggeglitten war, und bog vorsichtig in den neuen Gang ein. Inzwischen wu?te er, in welchen Abstanden die Photoaugen angebracht waren und wich ihnen beinahe schon automatisch aus. Er kam gar nicht auf den Gedanken, da? der Anblick eines Mannes im Raumanzugs, der durch die au?eren Korridore ging, einen Beobachter nicht uberraschen mu?te, um so mehr aber die Anwesenheit eines Mannes, der den Photostrahlen auswich, um keine Aufmerksamkeit zu erregen. Die Linsen der Suchgerate waren so klein und so gut verborgen, da? Hart sie nicht entdecken konnte, und er glaubte tatsachlich, da? die Photoaugen die einzigen Fallen waren, in die er tappen konnte. Da es ihm immer leichter fiel, sie zu umgehen, wuchsen sein Selbstvertrauen und seine Verachtung fur die Bewohner der Station, wie Mayhew es vorhergesagt hatte.
Mehrmals kam er an automatischen „Luftbremsen“ vorbei, die die Aufgabe hatten, Sektionen mit einem Leck abzuriegeln.
Mit einem Stahlkeil, der an seinem Raumanzug befestigt war, zerstorte er diese Bremsen. Die Aktionen uberzeugten Mayhew, da? der Agent kein Wissenschaftler war. Er agierte namlich mit einer Geschicklichkeit, die den erfahrenen Einbrecher oder Spion charakterisierte. In der Stunde, bevor er fand, was er suchte, durchbrach er mehr als zwanzig Luftbremsen.
Bald gelangte Hart in einen Teil des Korridors, der mit Ventilvorrichtungen statt mit Turen ausgestattet war, und er wu?te, da? sich eine Flussigkeit hinter den Wanden befinden mu?te.
Oberhalb der Ventile waren Zeichen eingeritzt, die dem Spion nichts sagten. Aber er hantierte vorsichtig am Griff eines Ventils, bis ein wenig Flussigkeit in den Korridor rann. Vorsichtig testete er sie. Mit dem Ergebnis war er zufrieden. Die Flussigkeit war Kohlenwasserstoff mit niederem Verfluchtigungsgrad, der zusammen mit flussigem Sauerstoff dazu benutzt wurde, die Raum-Torpedos anzutreiben. Ein billiges Material, dessen niedriger Dampfdruck das Lagerproblem in Stationen im offenen Raum vereinfachte.
Alles, was Hart wirklich wu?te, war, da? das Zeug so lange brennen wurde, solange Sauerstoff vorhanden war. Nun — er grinste bei dem Gedanken — eine Zeitlang wurde noch Sauerstoff da sein. Bis die Verbrennungsgase das von Hitze erweichte Metall der au?eren Wand in den Raum jagen wurde. Und danach wurde kein Sauerstoff mehr da sein, au?er vielleicht im Zentrum, wo die Konzentration der Radioaktivitat es gewi? machte, da? keiner da sein wurde, der ihn atmete.
Jetzt war naturlich die zweite Ebene, wie alle anderen, versperrt.
Aber dem konnte abgeholfen werden. In jedem Fall wurde die Explosion des befreiten Brennstoffs die relativ dunnen Innenwande vernichten. Zu diesem Zeitpunkt wu?te er noch nicht, da? diese Wande aus Magnesium bestanden. Sonst ware er seiner Sache noch sicherer gewesen.
Er blickte den Korridor entlang. So weit die Biegung ihm zu sehen erlaubte, befanden sich die Ventile im Abstand von wenigen Metern in den Wanden. Jedes Ventil hatte eine kleine elektrische Pumpe, die Luft in den Tank dahinter beforderte, um die Flussigkeit durch Druck herauszutreiben, da hier keine Schwerkraft existierte. Uber diesen Punkt dachte Hart gar nicht nach. Ein kurzer Test zeigte ihm, da? die Flussigkeit flo?, wenn man die Ventile offnete, und das genugte ihm. Er stand neben dem ersten Ventil, nahm einen Gegenstand aus seinem Raumanzug und untersuchte ihn sorgfaltig. Schlie?lich befestigte er ihn au?en am Gurtel, wo er ihn leicht erreichen konnte.
Als Floyd dieses Objekt sah, traf ihn beinahe der Schlag.
„Eine Brandbombe!“ keuchte er. „Wir konnen ihn unmoglich erwischen und ihn rechtzeitig aufhalten! Und im Korridor fliegt schon Brennstoff herum!“
Er hatte recht. Mit langen, gleitenden Schritten ging der Agent von Ventil zu Ventil und blieb bei jedem stehen, um es zu offnen und die ballonartige Masse von ausstromender Flussigkeit mit den Armen in den Korridor zu schieben. Tropfen und Fetzen des entflammbaren Stoffes schwebten kreuz und quer umher.
Mayhew zundete sich ruhig eine Zigarette an und achtete nicht darauf, wie die Streichholzflamme vom Luftzug des Dekkenventilators nach unten geweht wurde.
„Das ist wirklich kein Physiker“, murmelte er. „Das ist ein Militaragent. Sie hatten es auch sicher nicht riskiert, einen Forscher mit diesem Job zu betrauen. Ich furchte, ich werde von ihm nicht erfahren, was ich wissen will.“
„Aber was sollen wir tun?“ fragte Floyd erregt. „In dem Korridor fliegt nun genug Treibstoff herum, um die ganze au?ere Hulle zu sprengen, und mit jeder Sekunde wird es mehr! Ich wei?, Sie sind schon viel langer hier als ich, aber wenn Sie mir nicht erzahlen, wie Sie ihn davon abhalten wollen, das Zeug anzuzunden, gehe ich jetzt sofort in eine Kabine.“
„Wenn das alles explodiert, wird es Ihnen auch nichts nutzen, in einer Kabine zu sein.“
„Das wei? ich!“ schrie Floyd. „Aber was fur eine Chance haben wir denn sonst noch? Warum haben Sie ihn so weit kommen lassen?“
„Es ist immer noch keine Gefahr“, stellte Mayhew gelassen fest, „mogen Sie es nun glauben oder nicht. Aber wie dem auch sei, der Brennstoff kostet Geld, und es wird eine ziemliche Arbeit sein, ihn wiederzugewinnen. Also sehe ich nicht ein, warum wir es ihm nicht gonnen sollen, alle Treibstofftanks zu leeren. Jetzt ist er wenigstens aufgeregt genug.“ Er wandte sich dem Mikrophon zu und gab das Signal zur Aktion. „Packt ihn jetzt. Er scheint keine Handwaffen zu haben, aber verla?t euch nicht darauf. Zumindest hat er eine Brandbombe.“ Dann griff er zu einem anderen Schalter und verhinderte mit einem Druck darauf, da? die Au?enventilatoren arbeiteten. Und dann entspannte er sich wieder und widmete seine Aufmerksamkeit erneut dem Bildschirm, auf dem er die Aktivitaten des Agenten verfolgen konnte. Floyd betrachtete einen anderen Bildschirm, der einen gro?eren Teil des Korridors zeigte. Die Beobachter sahen die Angreifer im Raumanzug im selben Augenblick, in dem Hart sie entdeckte.
Der Europaer reagierte sofort — und zu rasch, denn als er sich zu seinen Feinden umwandte, verfehlte er den Ventilgriff, nach dem er gerade gefa?t hatte, und flog hilflos durch den Raum, bevor er den nachsten erreichte. Nachdem er Halt gefunden hatte, handelte er wie geplant und ignorierte mit beachtlicher Selbstkontrolle die vier bewaffneten Gestalten, die ihn umzin gelten. Mit einer scharfen Drehung offnete er das Brennstoff- Ventil, das einen oligen Pilz in den Korridor sandte. Seine linke Hand zuckte zum Gurtel, packte den winzigen Zylinder, den er dort befestigt hatte, schlug sein Ende gegen die angrenzende Wand und warf dann die Bombe zu Boden. Aber seine geringe Erfahrung mit der Schwerelosigkeit rachte sich jetzt. Er hatte sich auf eine Schwerkraft verlassen, die es hier nicht gab. Statt zu Boden zu fallen, schlug die Bombe wenige Meter von seiner Hand entfernt an die Decke und prallte dumpf mit einem Funkenregen zuruck. Sie glitt den Korridor hinab, auf flie?ende Kugeln von Kohlenwasserstoff zu, und plotzlich wich das Gluhen der Funken einem grellen Strahl von Thermit, der in den Augen schmerzte.
Floyd stohnte bei dem Anblick auf und erwartete, da? die Angreifer sich vergeblich auf das strahlende Ding sturzen wurden.
Aber obwohl sie alle in Reichweite der Wande waren, wich keiner von seinem Kurs ab. Hart versuchte weder zu fliehen noch zu kampfen. Zufrieden beobachtete er die dahingleitende Bombe und erwartete in den nachsten Sekunden, von einem Flammenmeer umgeben zu sein, das die machtigste westliche Torpedostation vernichten wurde. Im Gegensatz zu Floyd betrachtete er die Geschehnisse gelassen, sogar als die Manner ihn packten und ihm seine Gerate aus den Taschen rissen. Einer klappte die Gesichtsplatte seines Helmes auf.
Auch dagegen wehrte er sich nicht. Er blickte nur triumphierend der Bombe nach, die sich auf den nachsten Klumpen von Brennstoff zubewegte.
Floyd sah den Blitz, als die Bombe den Brennstoff entzundete, und schlo? die Augen.
Mayhew lie? sich vier oder funf Sekunden Zeit, bevor er sprach. Er glaubte jetzt, da? der junge Mann die Spannung nicht langer ertragen konnte.
„Nun?“ sagte er schlie?lich ruhig. „Warum gebrauchen Sie nicht Ihre Augen? Und den Versand dahinter?“
Floyd war viel zu verwirrt, um in der letzten Bemerkung eine Beleidigung zu sehen. Vorsichtig befolgte er Mayhews Rat und offnete die Augen. Er konnte kaum glauben, was er auf dem Bildschirm sah.
Die Gruppe der funf Manner hatte sich nicht verandert, nur der Gesichtsausdruck des Gefangenen hatte sich gewandelt.
Alle blickten den Korridor hinab zu der Stelle, wo die Bombe noch immer brannte. Langs Mannschaft wirkte amusiert, wahrend Harts Augen in unglaubigem Stauben geweitet waren.
Und als Floyd sah, was Hart sah, teilte er dessen Uberraschung.
Die Bombe war inzwischen dicht an mehreren schwebenden Kugeln vorbeigestrichen. Jede hatte Feuer gefangen, wie Floyd gesehen hatte — aber nur fur einen Augenblick. Jetzt war jede von einer Schicht umgeben, einer fast durchsichtigen grauen Substanz, die wie eine Mischung von Rauch und Petroleumdampf aussah. Die Schicht konnte nicht dicker als einen halben Zoll sein, da Floyd sich an die Originalgro?e der Kugeln erinnerte.
Keine der Kugeln brannte, jede hatte ihr Feuer erstickt, und langsam erkannte der junge Beobachter, wie und warum, als die Bombe gegen die letzte Brennstoffkugel schlug, die einen Fu? im Durchmesser ma?.
Wie die anderen flammte sie auf und verlosch sofort wieder.
Aber diesmal war die Schicht, die sich um die Kugel bildete, heller und schien sekundenlang zu wachsen. Dann erfolgte eine kleine funkenspruhende Explosion, Fragmente von brennendem Thermit brachen aus der Kugeloberflache und flogen in verschiedene Richtungen, bevor sie ausgingen. Und dann war alles ruhig — bis auf die Gesichter Floyds und Harts.
Der Saboteur schien vollig au?er Fassung zu sein, und es sah nicht so aus, als wurde sich sein Zustand in der nachsten Zeit andern. Aber Floyd hatte sich inzwischen gefangen und machte sich bereits Vorwurfe wegen seiner grundlosen Angste. Mayhew beobachtete das Gesicht seines Assistenten und kicherte.
„Jetzt haben Sie es wohl begriffen“, sagte er nach einer Weile.
„Ja, jetzt“, erwiderte Floyd. „Ich hatte schon fruher darauf kommen sollen. Ich habe naturlich bemerkt, da? Sie genug Zigaretten angezundet haben und beobachtet, wie sich die Flammen benahmen. Aber unser Freund tappt offensichtlich noch im dunkeln.“ Er nickte dem Bildschirm zu.
Er hatte recht. Hart tappte vollig im dunkeln. Er gehorte zu einer Organisation, wo unliebsame Uberraschungen weder unerwartet noch ungewohnlich waren, aber er war noch nie in seinem Leben so verwirrt gewesen. Das Zeug sah wie Brennstoff aus. Es roch wie Brennstoff. Es hatte ganz einfach brennen mussen — aber es weigerte sich. Hart entspannte sich im Griff seiner Bewacher und suchte nach einem Angelpunkt, an dem er seine wirbelnden Gedanken aufhangen konnte. Ein Raumfahrer hatte die Situation begriffen, ohne lange nachzudenken.