Ein Student von durchschnittlicher Intelligenz hatte wahrscheinlich nach einigen Uberlegungen die Ursache der Ereignisse erkannt. Aber Harts Ausbildung war die eines Spions gewesen, in einem Land, in dem man es als Zeitverschwendung betrachtete, sich eine Allgemeinbildung anzueignen.

Er besa? einfach nicht den Bildungshintergrund, um zu verstehen, was passiert war.

Das dachte zumindest Mayhew nach einer sorgfaltigen Befragung des Gefangenen. Er erfuhr nicht viel von dessen Mission, obwohl es wenig Zweifel daran gab, was Hart hatte erreichen wollen. Die Anwesenheit eines fremden Agenten an Bord einer Torpedostation lie? eigentlich nur eine Interpretation zu.

Und da die Zerstorung einer solchen Station endlose Verwicklungen nach sich ziehen konnte, nahm Mayhew sofort Funkverbindung mit anderen Stationen auf, um sie vor ahnlichen Eindringlingen zu warnen — mit allen Stationen, egal, welcher Nationalitat. Wenn Harts Vorgesetzte erfuhren, da? seine Mission erfolglos verlaufen war, so wurden sie wenigstens daran gehindert, so zu agieren, als sei seine Absicht gelungen. Und man vermied Zwischenfalle von unabsehbaren Folgen. Mayhews Job war, Kriege zu verhindern, nicht, Kriege zu gewinnen.

Hart hatte die Identitat seiner Vorgesetzten nicht zugegeben, aber sein Akzent lie? kaum Zweifel an seiner Herkunft.

Naturlich blieb das Problem, was man mit Hart tun sollte.

Auf der Station gab es kein eigentliches Gefangnis, und es war unwahrscheinlich, da? die Regierung des Westens dem Einsatz einer Spezialrakete zustimmen wurde, um den Mann wegzubringen.

Eine personliche Bewachung war lastig, aber es war nicht ratsam, einen Mann, der das Training Harts besa?, auch nur eine Sekunde aus den Augen zu lassen.

Schlie?lich schlug einer der Wachen vor, Hart in einem kleinen Lagerraum an der Au?enseite der Station unterzubringen.

Die Tur des Lagerraums besa? kein Turschlo?, aber man konnte sie auf- und zuschwei?en. Auch gab es keinen Ventilator, aber ein Algentank sorgte fur Frischluftzufuhr. Nach einiger Uberlegung entschied Mayhew, da? dies die beste Losung sei.

Hart wurde sorgfaltig durchsucht, auch seine Kleidung wurde ihm sicherheitshalber abgenommen. Er bat lachelnd um seine Zigaretten und um sein Feuerzeug, aber Mayhew versorgte den Mann mit seinen eigenen Zigaretten und seinem Feuerzeug und behielt das Eigentum des Spions zuruck, um es untersuchen zu lassen. Danach sagte Hart nichts mehr und wurde ohne weitere Zeremonien eingekerkert. Mayhew kicherte wieder einmal, als die Wachen mit dem Spion verschwanden.

„Hoffentlich hat er mit dem Feuerzeug mehr Spa? als ich“, sagte er. „Mein Junge hat es mir als Geschenk geschickt, und bei dem Zug des Ventilators hat es nie funktioniert. Vielleicht merkt unser Freund etwas, wenn er lange genug damit herumspielt.

Es ist ein wenig Brennstoff darin.“

„Ich war ein wenig uberrascht, als Sie es ihm gaben“, sagte Floyd lachend. „Ich glaube, jetzt wei? ich, warum Sie immer Streichholzer benutzen. Wahrscheinlich erspare ich mir sehr viel Muhe, weil ich nicht rauche. Aber ich denke, Sie mu?ten Kaliumnitrat in Ihre Zigaretten stopfen, damit sie auch brennen, wenn Sie nicht daran ziehen.“ Hart konnte dies naturlich nicht mehr horen, und so konnte er auch keinen Gewinn aus dieser Bemerkung ziehen.

Er hatte ihr auch nicht viel Beachtung geschenkt. Naturlich wu?te er, da? die Wissenschaften der Physik und Chemie wichtig waren. Aber er dachte an sie nur in Verbindung mit gro?en Fabriken und Laboratorien. Der Gedanke, da? die Kenntnis dieser Wissenschaften von unmittelbarem Nutzen fur einen Mann sein konnte, der weder Chemiker noch Physiker war, ware ihm geradezu phantastisch erschienen. Wenn auch seine derzeitigen Fluchtplane auf der Chemie basierten, so war ihm das nicht bewu?t.

Die Zelle befriedigte ihn sehr. Es gab keine Gucklocher, die auch als Schu?locher dienen konnten, die Tur konnte nicht rasch geoffnet werden — und es gab auch keinen Ventilator.

Wenn Hart einmal in der Zelle war, so wurde man ihm nicht mehr viel Beachtung schenken. Da der Raum ein Lagerdepot war, wurde man sein Inneres auch nicht mittels Bildschirm beobachten, obwohl Hart sich sagte, da? er durchaus damit rechnen mu?te, beobachtet zu werden. Aber er beschlo?, diese Moglichkeit au?er acht zu lassen, und ging an die Arbeit, als er horte, wie seine Tur zugeschwei?t wurde.

Sein erster Gedanke fuhrte nicht weit. Er verbrachte eine halbe Stunde damit, Mayhews Feuerzeug zum Funktionieren zu bringen, ohne Erfolg. Jedesmal, wenn er daraufdruckte, spruhte ein Funkenregen auf, und nach jedem vierten oder funften Ver such horte er ein schwaches Klicken, und ein blauer Blitz zuckte empor. Aber er brachte keine Flamme zustande. Schlie?lich stulpte er den Deckel auf das Feuerzeug, und zum erstenmal unternahm er den Versuch, wirklich nachzudenken. Diese Situation begann die Grenzen seines Trainings zu uberschreiten.

Die Tatsache, da? der Brennstoff durch seine Bombe nicht entzundet worden war, beschaftigte ihn vordringlich. Offensichtlich hatten die Bewohner des Westens den Brennstoff mit irgendeiner feuerabweisenden Chemikalie ausgestattet, wahrscheinlich als eine Vorsichtsma?nahme eher gegen Unfalle als gegen Sabotage. Solch einen chemischen Stoff konnte man sicher leicht entfernen, aber er hatte keine Gelegenheit gehabt, herauszufinden, wie.

Aber warum brannte der Brennstoff in dem Feuerzeug nicht?

Je langer er daruber nachdachte, desto mehr kam er zu der Uberzeugung, da? Mayhew ihm das Feuerzeug absichtlich uberlassen hatte, als eine Geste der Verachtung. Eine solche Handlungsweise war nur zu verstandlich. Und dieser Gedanke entzundete erneut den Ha?, der ein so wesentlicher Teil seiner Personlichkeit war. Er wurde es diesem klugen Westler zeigen!

Irgendeinen Weg mu?te es geben!

Mit Hilfe seiner Fingernagel nahm er das Feuerzeug in wenigen Minuten auseinander. Die Einzelteile waren ziemlich klein und wiesen keine besonderen Merkmale auf. Aber Hart examinierte jedes Teil sehr sorgfaltig.

Der Brennstoff schien unbrauchbar zu sein. Au?erdem verdampfte er jetzt ohnehin. Die Hulle bestand offenbar aus Magnalium und konnte als Hitzequelle dienen, wenn man sie nur anzunden konnte. Aber da das Ding als Zigarettenanzunder verwendet wurde, schien es ihm sinnlos, diesen Gedanken weiter zu verfolgen. Der Docht wurde vielleicht brennen, wenn man ihn sorgfaltig trocknete. Der Feuerstein und der Radmechanismus waren vielversprechend — zumindest ein Teil wurde hart genug sein, Metall zu zerschneiden, und auch die Sprungfeder konnte nutzlich sein.

Sonst gab es nicht viel in dem Lagerraum. Das Licht kam aus einer Gasrohre. Der Algentank hatte einen kleinen Motor und eine Pumpe, die die Luft durch die Flussigkeit trieb. Als Hart sich im Lagerraum umblickte, entschied er jedoch, da? es unklug ware, seine einzige Luftquelle zu demontieren.

Nach weiteren Uberlegungen nahm er das kleine Rad des Feuerzeugs und begann, einen Kreis um das Turschlo? zu ritzen.

Er hegte naturlich keine Hoffnung auf Flucht, und er dachte gar nicht daran, seinen Raumanzug wiederzubekommen. Er wollte nur aus der Zelle herauskommen und seine Mission vollenden. Und wenn er damit Erfolg hatte, so nutzten ihm irgendwelche Waffen ohnehin nichts mehr.

Naturlich konnte sein Kerker beobachtet werden. Aber Mayhew war es schon langst mude geworden, dem Spion bei seinen Versuchen, das Feuerzeug zu entzunden, zuzusehen, und er hatte seine Aufmerksamkeit auf andere Dinge gelenkt. So kam es, da? Harts Aktivitaten eine Zeitlang unbeobachtet blieben.

Die Metalltur war dunn und nicht sehr hart. Und es gelang ihm ohne nennenswerte Schwierigkeiten — au?er ein paar wunden Fingern —, ein Loch zu schneiden, das gro? genug war, um ihm ein anderes Hindernis zu zeigen. Statt den Turrahmen zuzuschwei?en, hatten seine Feinde einen Stahlbarren quer uber die Turoffnung gelegt und seine Enden zu beiden Seiten des Rahmens festgeschwei?t. Hart horte auf, an dem Loch zu kratzen, sobald er die Breite des Barrens sah, und dachte uber die neue Situation nach.

Er konnte naturlich ein Loch in die Tur schneiden, das gro? genug war, um seinen Korper durchzulassen. Aber seine Finger schmerzten und waren bereits steif vom Gebrauch des winzigen Rades, und es war unvernunftig anzunehmen, man wurde ihn lange genug allein lassen, damit er diesen Plan ausfuhren konnte. Wahrscheinlich brachte man ihm irgendwann einmal etwas zu essen.

Und es gab noch einen Grund, der zur Eile riet, obwohl er ihn verga?, als er den Giftstoff in der Luft roch. Die Flussigkeit, die aus dem Feuerzeug stromte, seit er es auseinandergenommen hatte, breitete sich ziemlich rasch aus, viel rascher als der Brennstoff der Raketen. Der Algentank entfernte nur Kohlendioxyd, und die Luft in der kleinen Zelle sattigte sich immer mehr mit Kohlenwasserstoff. Es war au?erst ungesund, diese Luft langere Zeit einzuatmen, wie Hart sehr wohl wu?te. Und die Flucht aus der Zelle war der einzige Weg, das Einatmen der giftigen Luft zu vermeiden.

Wie konnte man eine Metalltur entfernen? Rasch? Mit brutaler Kraft? Davon besa? er nicht genug. Mit Chemikalien? Er hatte keine. Mit Hitze? Der Gedanke war entmutigend, wenn er an seine jungsten Erfahrungen mit Hitzequellen dachte. Trotzdem — wenn flussige Brennstoffe nicht brannten, vielleicht brannten andere. Da war der Docht des Feuerzeugs. Eine schwebende Wolke von Metallpartikeln rund um das Loch, das er in die Magnesiumtur geritzt hatte. Und der Radmechanismus des Feuerzeugs.

Er holte den Docht aus der Luft, wo er dahinglitt, und begann ihn auseinanderzudrehen. Ohne Brennstoff bestand kaum die Chance, da? er sich an den Funken des Zunders entzundete.

Dann wischte er soviel Metallstaub wie nur moglich zusammen und pre?te ihn an den Docht. Er inspizierte die Rander des Loches, das er in die Tur gebohrt hatte, und rauhte sie an einer Seite mit dem Rad noch mehr auf, so da? er noch mehr Metallstaub gewann. Er druckte ihn an seine Zundschnur, steckte diese zwischen die Tur und den Stahlbarren direkt au?erhalb des Loches, so da? das Zundende in die Zelle ragte. Sorgfaltig inspizierte er sein Werk, nickte zufrieden und fugte den Zund mechanismus wieder zusammen.

Naturlich erwartete er nicht, da? der Stahlbarren schmolz oder sich auch nur erweichte, aber er hoffte, da? das dunne Metall der Tur sich entzundete.

Der funkenspruhende Mechanismus war beinahe wieder zusammengesetzt, als Harts Aufmerksamkeit abrupt von seiner Arbeit abgelenkt wurde. Seit er das Loch gebohrt hatte, war in der Zelle ein schwacher Luftzug entstanden, den die Ventilatoren auf der anderen Seite des Korridors hervorriefen. Ein Luftzug, von der Natur eines Wirbels, der lose Gegenstande nahe an das Loch herantrug. Einer dieser Gegenstande war eine Kugel, zusammengesetzt aus der verbliebenen Flussigkeit des Feuerzeugs, die bisher noch nicht verdampft war. Als Hart die schimmernde Kugel bemerkte, war sie kaum mehr einen Fu? von seiner Zundschnur entfernt und trieb langsam naher.

Fur ihn bedeutete diese flussige Kugel das Fehlschlagen seines Planes. Sie selbst wurde nicht brennen, und sie wurde auch verhindern, da? etwas anderes brannte. Wenn sie seine Zundschnur beruhrte und trankte, wurde er warten mussen, bis sie verdampfte. Und dazu hatte er keine Zeit. Fluchend lie? er den Zundmechanismus los und versuchte, die Kugel auf die andere Seite zu schieben. Das gelang ihm nur teilweise. Die Kugel spaltete sich in seiner Hand, teilte sich in viele kleine Tropfen, von denen sich einige gehorsam entfernten, einige verdampften und einige weiterhin auf die Zundschnur zuglitten. Keiner der Tropfen entfernte sich allzu weit. Bald hatte der sanfte Luftzug sie wieder unter Kontrolle, und sie trieben auf das Loch zu — und auf Harts Zundschnur.

Einen Augenblick beobachtete der Saboteur sie in schmerzhafter Unentschlossenheit, doch dann ri? er sich zusammen.

Mit einem weiteren Fluch packte er den Zundmechanismus, vergewisserte sich, da? er funktionierte, und wandte sich dem Loch in der Tur zu. Es geschah in diesem Augenblick, da? Mayhew sich entschlo?, wieder einen Blick auf seinen Gefangenen zu werfen.

Der Bildschirm war so eingestellt, da? Harts Korper das Loch in der Tur verdeckte. Und da der Spion ihm den Rucken zuwandte, konnte der Beobachter nicht feststellen, was Hart tat.

Aber Harts Haltung war so entschlossen, und ein so unubersehbarer Zug von Verbissenheit umgab ihn, da? Mayhew zum Mikrophon griff und befahl, man moge in der Zelle des Gefangenen nachsehen, gerade im selben Augenblick, als Hart das Rad der Zundung drehte.

Mayhew konnte nicht sehen, was der Mann getan hatte, aber die Folgen seiner Tat waren offensichtlich genug. Der Korper des Saboteurs wurde von der Tur zuruckgeworfen, auf die Linse des Beobachtungsgerats zu, wie eine Fetzenpuppe, der jemand einen Tritt versetzt hatte. Eine orangefarbene Flammenblute umflo? ihn sekundenlang, und im selben Augenblick wurde der Bildschirm schwarz, als eine schwere Erschutterungswelle die Linse des Beobachtungsgerats zerschmetterte.

Mayhew, der an Bewegungen im schwerelosen Raum gewohnt war, war noch nie in seinem Leben so rasch gelaufen.

Floyd und andere Mannschaftsmitglieder versuchten, ihm zu folgen, aber sie konnten nicht mit ihm Schritt halten. Als sie Harts Zelle erreichten, sahen sie Mayhew reglos dastehen und auf die Tur starren.

Es war nicht notig, den Stahlbarren zu entfernen. Das dunne Metall der Tur war zersplittert, eine Offnung, die gro? genug war, um einen Menschen hindurchzulassen, gahnte darin. Aber es war gewi?, da? Hart von dieser Fluchtmoglichkeit keinen Gebrauch gemacht hatte. Sein Korper klebte an der gegenuberliegenden Zellenwand. Und der jetzt relativ starke Luftzug, den die au?eren Ventilatoren verursachten, bewegte ihn nicht.

Floyd ahnte, was den Korper dort festhielt. Aber er wollte lie ber nicht genauer hinsehen.

Mayhews Stimme durchbrach das lange Schweigen.

„Er hat es nicht herausgekriegt.“

„Aber wieso ist dann das Feuer ausgebrochen?“

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