erreichte, hatte er bereits zu seinem normalen Temperament zuruckgefunden.

Er schwebte in der umgekehrten Umlaufbahn rund um die Anlage zuruck, und da wurde seine Aufmerksamkeit von einem kleinen Objekt gefangengenommen, das au?erhalb seiner Flugbahn lag.

Physikalisch gesehen war nichts Bemerkenswertes daran. Das Objekt schien leichter zu sein als sein eigener Korper. Eine nahere Inspektion ergab, da? es sich ebenfalls in einer Umlaufbahn um den Zentralstrahler befand, wie alle Anlagen der Farm. Manchmal waren seine Umrisse klar, manchmal verwischten sie sich. Es strahlte ein Licht in anscheinend bedeutungslosen Mustern aus. Obwohl der Aufseher nichts Bemerkenswertes an dem Objekt erkennen konnte, nahm es seine Aufmerksamkeit gefangen, was ihn verwirrte. Obwohl es abseits von seinem gewahlten Kurs lag, beschlo? er, es genauer in Augenschein zu nehmen, und schwang darauf zu. Der Student hatte keine Freunde oder Mitarbeiter erwahnt…

Allmahlich wurden die Einzelheiten deutlicher erkennbar, und die Laune des Aufsehers verschlechterte sich zusehends.

Es gefiel ihm nicht, was er da sah, aber es wurde immer klarer.

„Hilfe! Bitte, Master! Hilfe!“

Dieses verletzte oder sterbende Ding da war ein Sklave. Ein Sklave innerhalb der Grenzen der Farm, wo er ohne Aufsicht eigentlich nicht sein durfte. Ein Sklave, der gewagt hatte, ihn um Hilfe zu bitten!

„Was tust du hier?“ Der Aufseher sandte die Frage per Richtstrahl zu der offensichtlich hilflosen Kreatur. „Hast du dieses Gebiet ohne Befehl betreten?“

„Nein, Master… Es wurde mir — befohlen.“

„Von wem? Was ist mit dir passiert? Druck dich etwas klarer aus!“

„Von… Ich kann nicht! Master, helfen Sie mir!“ Der Halo des Sklaven flackerte, als die Strahlensprache immer erregter wurde.

Obwohl der Aufseher solchen Wesen fur gewohnlich aus dem Weg ging, erkannte er, da? er hier helfen mu?te, wenn er etwas erfahren wollte. Er unterdruckte seine Abneigung und bewegte sich auf den Sklaven zu, um seine Verletzungen zu untersuchen. Er erwartete, das Ergebnis starker Ionen-Schlage vorzufinden, aber das, was er jetzt sah, lie? ihn seinen Arger vergessen.

Der Korper der unglucklichen Kreatur war gefleckt, durchfurcht von einem Muster runder Locher, wie sie der Aufseher noch nie gesehen hatte. Er kannte die langlichen Narben, die von Ionen- Schlagen herruhrten, und die breiten Flecken, die entstanden, wenn seine Leute zu nahe an die Sonne herankamen und diese ein Stuck der Korperoberflache wegbrannte.

Aber diese Korpermale sahen aus, als sei der Sklave in einen Regen von Kornern aus fester Substanz geraten.

Ein lacherlicher Gedanke, naturlich! Der dummste Sklave konnte einem gelegentlichen Stein- oder Metallpartikelschlag, wie er in der interstellaren Leere vorkam, ausweichen. Die Sklaven hatten ja dieselbe Sinnesausrustung und dieselben physischen Krafte wie die Master. Bei vorurteilsfreier Betrachtung konnte man sogar sagen, da? sie zu derselben Spezies gehorten wie ihre Herren.

Aber was immer auch die Verletzungen der Kreatur hervor gerufen haben mochte, er konnte wenig dagegen tun. Aber er tat das wenige, mehr von Neugier als von Mitleid getrieben, und ersetzte Kohlenwasserstoff und andere organische Substanzen.

Der Sklave hatte nicht genug Nahrung. Der Metallvorrat in seinem Korper, wie er fur diese Wesen lebenswichtig war, war offensichtlich teilweise entfernt oder beschadigt worden. Der Korper der Kreatur bestand nur aus einem Bruchteil der normalen Gro?e. Der Nahrungsvorrat, der fur gewohnlich einen gro?en Prozentsatz des Korperumfangs ausmachte, war verbraucht worden oder verdampft.

Es bestand kein Zweifel, da? der Sklave sterben mu?te. Aber es bestand eine Chance, da? er vorher noch genug Starke wiedergewann, um uber sein Erlebnis zu berichten, wenn er gefuttert wurde. Er futterte ihn — naturlich sparsam.

„Es hat keinen Sinn, die Nahrung an dich zu verschwenden, wenn du ohnehin sterben mu?t“, erklarte er sanft.

„Naturlich nicht, Master“, stimmte der Sklave zu.

„Was ist mit dir passiert?“

Der Sklave war nicht in der Verfassung, zusammenhangend zu sprechen. Aber die Nahrung hatte ihn wenigstens so weit gestarkt, da? sein Verstand zumindest unklar denken konnte.

„Ich wurde zu den inneren Anlagen befohlen — zur Ernte.“

Nur zogernd kamen die Wortsymbole — aber ihre Bedeutung war unmi?verstandlich und erschreckend.

Der Student hatte also Sklaven zu einer Nahrungsvorratsanlage beordert! Vielleicht war das der Grund fur die beiden unfruchtbaren Planeten.

„Du gehst an die Ernte, wenn so ein junger Narr das befiehlt?“

„Er war ein Master, und er erteilte den Befehl. Viele von uns gingen — viele gingen schon seit Jahren — und kamen selten zuruck. Wir wollten es nicht, Master, aber er befahl es. Was sollten wir tun?“

„Ihr hattet den ersten Aufseher, der hierherkam, fragen konnen, ob es nicht besser ware, diesem Befehl nicht nachzukommen.“

„Sie sind der erste Aufseher, der seither hierhergekommen ist, soviel ich wei?. Und der junge Master sagte, wir sollten niemandem etwas von seinem Befehl sagen. Ich spreche auch jetzt nur davon, weil Sie es mir befohlen haben — und weil er mir jetzt ohnehin nichts mehr tun kann.“

Der Aufseher ignorierte die letzten Worte.

„Du sagtest, viele von euch hatten den Befehl erhalten, das zu tun, aber wenige seien von diesem Auftrag zuruckgekehrt.

Was ist mit den anderen geschehen? Was ist mit dir geschehen?“

„Sie starben. Ich wei? nicht, wie. Es mu? eben — so gewesen sein…“

Eine Pause trat ein.

„Ich nehme an, sie sind von meteorischen Partikeln getroffen worden“, sagte dann der Aufseher, „wie du offenbar auch. Absorbieren die Sklaven eigentlich personliche Charakteristika von ihren Herren, zum Beispiel Dummheit? Konntest du den Meteoren nicht ausweichen?“

„Nein, nicht alle von uns konnten ausweichen. Das Gebiet in der Nahe des Zentralstrahlers ist dichter von solchen Teilen durchsetzt als andere Gebiete. Manche Stucke sind aus Eisen, manche aus anderen Stoffen. Aber man kann ihnen nicht ausweichen.

Sie treffen zu schnell und zu hart. Man kann sie nicht auf normale Weise absorbieren. Sie zersetzen das Korpermaterial und verteilen es im Raum. Der Schock ist so gro? und so stark, da? ich nichts tun konnte, um das Material wieder einzusammeln.

Deshalb ist so viel von meiner Korpermasse verschwunden.

Es lag nicht nur am Hunger. Einige andere Sklaven kamen besser davon als ich. Manche haben uberlebt, aber manche traf es auch noch schlimmer als mich.“

„Und schickt er die Sklaven noch immer zur Ernte?“

„Ja. Auf den gro?eren Anlagen kamen wir ganz gut zurecht.

Aber dann interessierte er sich fur die Anlagen, die weiter innen liegen. Dort ist es viel hei?er. Er selbst wagte sich sogar zu der Anlage, die dann zerstort wurde. Wu?ten Sie das? Aber er kam sehr schnell wieder zuruck und schickte dann uns an solche Stellen. Wir ernteten dann die nachste innere Anlage ab, die vierte vom Zentralstrahler. Es ging ganz gut, obwohl der Verlust an Sklaven sehr hoch war. Dann wollte er, da? wir mit der dritten Anlage beginnen. Ich war einer der ersten, die an diesem Projekt arbeiten sollten. Ich erwartete naturlich nicht, da? ich es uberleben wurde, nach dem, was ich von den anderen gehort hatte, und ich lie? mich zur Sonne fallen. Meine Kreisbahn fuhrte dicht an der gro?ten Anlage vorbei, die der Master selbst abgeerntet hatte, und ich hoffte, mich dort mit ein bi?chen Nahrung starken zu konnen, als ich vorbeikam.“

Dieses Gestandnis zeigte, wie uberzeugt der Sklave von seinem nahenden Tod gewesen sein mu?te. Und es zeigte auch den Stand der Demoralisierung, in den der Student seine Untergebenen hatte fallen lassen.

„Aber ich wagte es nicht, mir Nahrung zu holen, als die Zeit kam“, fuhr der Sklave mit schwacher Stimme fort. „Als ich durch das Gebiet kam, wo die zerstorte Anlage sich befunden hatte, wurden die treibenden Partikel immer zahlreicher. Zuerst sah ich nur gelegentlich ein Stuck Eisen oder Stein, dem ich leicht ausweichen konnte. Aber dann kamen sie zu zweit oder zu dritt, und ich mu?te gro?e Kurven beschreiben, um ihnen zu entgehen. Und dann kamen sie zu Dutzenden, in ganzen Klumpen, und ich konnte ihnen nicht mehr entkommen. Ich wurde mehrmals hintereinander hart getroffen. Zuerst war ich nahe daran umzukehren. Ich hatte mir niemals traumen lassen, da? ich je solche Gedanken hegen wurde. Aber dann erinnerte ich mich des Befehls und bewegte mich weiter. Und ich wurde wieder und wieder getroffen, und jedesmal wurde der Befehl in meinem Gedachtnis schwacher. Ich erreichte die Umlaufbahn des vierten Planeten, kreuzte sie und verlie? sie wieder. Danach wurde ich mehr und mehr von Partikeln angeschlagen.

Einmal verlor ich beinahe sogar die Orientierung. Aber dann gelangte ich zu einer Stelle in der Nahe der Umlaufbahn des Riesenplaneten. Dort erinnerte ich mich wieder an den Befehl.

Ich hatte noch nie zuvor einen Befehl des Masters mi?achtet.

Und ich wu?te nicht, was ich tun oder denken sollte. Ich wollte zur Sonne zuruckkehren und mich dort an das zu erinnern versuchen, was mit den anderen geschehen war. Aber dann fiel mir wieder der Befehl des Masters ein, und ich bewegte mich weiter. Ich wagte nicht, hinaus in die Kalte zu gehen, wo er wartete. Ich wagte nicht, in den Sturm von Steinen und Metallen zuruckzukehren, der den funften Planeten umtoste. Aber irgend etwas mu?te ich tun. Ich konnte nicht ewig der Laufbahn des Riesenplaneten folgen. Er wurde mich fruher oder spater finden, und dann wurde es schlimmer sein, als wenn ich gleich zu ihm gekommen ware. Ich mu?te nachdenken.“

Dieses Wort traf den Aufseher wie ein Schock. Allein der Gedanke, da? ein Sklave dachte, war fur einen Angehorigen der dominierenden Rasse absto?end. Die Herren zogen es vor, die Sklaven fur geistlose Kreaturen zu halten, die auf ihre Master angewiesen waren, um existieren zu konnen. Eine angenehme Denkungsart, die schon seit so vielen Rotationen der Galaxis bestand, da? ihre Erfinder beinahe an sie glaubten. Er hatte bereits anzunehmen begonnen, da? dieser Sklave ein besonderes Beispiel seiner Spezies war. Jetzt war er dessen gewi?.

Diese Gedanken lie?en ihn schweigen, wahrend die Kreatur eine Pause machte und sichtbar um ihre schwindenden Energien rang.

„Dann traf ich meine Entscheidung“, fuhr der Sklave fort.

„Da die Riesenanzahl von Partikeln von der Anlage kommen mu?te, die zerstort worden war, konnte ich annehmen, da? die Laufbahn dieser Teile der der ursprunglichen Anlage gleich war. Wenn ich eine nahezu elliptische Bahn durch diese Region wahlte und mich der Geschwindigkeit der Partikel anpa?te, statt meine parabolische Bahn beizubehalten, konnte es mir vielleicht gelingen, die schlimmsten Zusammensto?e zu vermeiden.“

Die zerschmetterte Kreatur zitterte und machte erneut eine Pause, um Kraft zu sammeln.

„Gerade wollte ich meinen Plan in die Tat umsetzen, als ich einen anderen Sklaven entdeckte, der sich in dieselbe Richtung zu bewegen schien wie ich. Und ich dachte, zwei seien besser als einer. Wenn einer von uns starb, konnte wenigstens der andere aus unseren Erfahrungen lernen. Ich konnte ihn leicht erreichen, da er sich in freiem Fall bewegte, und erklarte ihm meine Idee. Er willigte ein, ohne lange nachzudenken, und kam mit mir. Eine Zeitlang ging alles gut. Wir gelangten in die Kreisbahn des vierten Planeten, ohne ernsthaft getroffen zu werden. Dabei machten mir allerdings die Schlage mehr zu schaffen als meinem Gefahrten, da ich schon vorher mehrmals verletzt worden war. In diesem Gebiet waren die Partikel viel gro?er als im vorhergehenden. Sie waren leicht zu sehen und zu umgehen. Weiter drinnen trafen wir keine gro?eren Teile an. Entweder waren sie nicht bis hierher gelangt, oder sie waren durch Zusammensto?e mit den inneren Planeten zersprengt worden. Der feine Staub, der uns dort begegnete, lie? mich zu der zweiten Annahme neigen.

Danach wurden wir wieder schlimmer getroffen. Es war besser als zu Beginn, meine Idee schien also doch erfolgreich zu sein, aber es war arg genug. Der andere Sklave war noch nicht daran gewohnt, und er verlor die Kontrolle uber sich wie vor her ich. Damals waren wir beinahe bei der dritten Anlage angelangt, und er schien vor Schmerzen vollig blind zu sein. Offensichtlich fuhlte er gar nicht, da? die Nahrung so nahe war. Dieses dritte Stuck der Farm ist unglaublich reich.

Taumelnd flog er auf ein unbrauchbares Stuck zu, das die dritte Anlage in ihrer Umlaufbahn begleitet. Dieses Stuck ist zu klein, um bei dieser Temperatur Wachstum hervorzubringen, obwohl sein Durchmesser ungefahr das Zehnfache meines ursprunglichen Korpers betragt. Er prallte hart auf dem Stuck auf, und die Energie, die bei der Geschwindigkeit beider frei wurde, genugte, um seine Masse vollig verschwinden zu lassen.

Das Stuck war bereits mit vielen Narben besat, die von Zusammensto?en herruhrten, aber mein Gefahrte verursachte die gro?te und tiefste.

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