Mengen, die von seinem Raumanzug ausgingen, waren absolut neu fur die Kreaturen, deren Organe sie fuhlten. Sie mu?ten ihr Nervensystem genauso in Aufruhr gebracht haben wie eine Feuersbrunst wilde Tiere auf der Erde. Kein Wunder, da? der Tausendfu?ler das Weite gesucht hatte.

Nachdem er diese Fragen beantwortete hatte, schenkte Cunningham seine Aufmerksamkeit wieder seiner eigenen Situation, dem Problem seines Uberlebens. Und er hatte noch nicht lange daruber nachgedacht, als er die Losung dieses Problems vor sich sah. Er begann zu lacheln, als die Fragmente seiner Idee sich zu einem Ganzen fugten. Eine Idee, in der metallisches Blut und die Bleisubstanz der Arbeitsanzuge seiner Ex- Assistenten eine Rolle spielten, sowie die Blutrunstigkeit seiner vielbeinigen neuen Freunde. Der Plan nahm immer deutlichere Gestalt in seinem Gehirn an, und lachelnd machte er es sich bequem, um auf den Sonnenuntergang zu warten.

Die Sonne von Deneb hatte bereits einen weiten Bogen uber den Himmel beschrieben. Cunningham wu?te nicht, wie lange er noch warten mu?te, da er keine Uhr besa?. Und bald machte er die Erfahrung, da? die Zeit viel langsamer verstreicht, wenn man nichts hat, womit man sich beschaftigen kann. Als der Nachmittag sich dahinschleppte, war er gezwungen, sich vom Hohleneingang zu entfernen, da die sinkende Sonne in die Hohle schien. Kurz bevor sie hinter dem Horizont verschwand, sa? er eng an eine Hohlenwand gepre?t, wahrend die gegenuberliegende Wand in volles Licht getaucht war. Nur ein kleiner Fleck in der Hohle blieb von den Strahlen verschont. Cunningham seufzte erleichtert auf, als die letzten todlichen Sonnenstrahlen endlich verschwanden.

Die kleinen Pflanzenfresser hatten sich inzwischen von ihrem Schrecken erholt und die Hohle wieder verlassen. Er hatte nicht versucht, sie zuruckzuhalten. Jetzt kroch er aus der Hohle und zur nachstgelegenen Staubdune, die im Sternenlicht kaum zu sehen war. Schon nach kurzer Suche fand er einen Pflanzenfresser und kehrte mit ihm in die Hohle zuruck. Mit der kleinen Lampe, die am Gurtel seines Raumanzugs angebracht war, erleuchtete er vorsichtig die Szenerie. Dann errichtete er einen Staubhaufen, in dessen Gipfel er eine langliche Mulde grub, totete den Pflanzenfresser mit demselben Stein, den er schon einmal als Schlagwaffe benutzt hatte, und go? das ›Blut‹ in die Mulde.

Die metallische Flussigkeit kuhlte schnell ab, und nach kurzer Zeit hatte Cunningham einen silbrigen Stab von der Starke eines Bleistifts und etwa sechs Zoll lang. Er hatte ein wenig Angst vor dem Tausendfu?ler. Aber die Riesenkreatur war entweder zu weit entfernt, um in die Hohle zu ›sehen‹, oder sie hatte sich wie die anderen Tiere nach Sonnenuntergang eingegraben.

Cunningham ergriff den Stab, der biegsam wie eine Rute war, loschte das Licht und naherte sich vorsichtig dem Raumschiff.

Von den anderen Mannern war nichts zu sehen. Sie hatten ihre Schwei?gerate mit in das Innere des Schiffes genommen. Cunningham kroch unter den Rumpf und betrachtete den Schaden im Licht seiner Lampe. Der Schaden war genauso, wie er es dem Gesprach der beiden Manner entnommen hatte. Lachelnd nahm er seinen kleinen Metallstab und ging an die Arbeit. Eine Zeitlang war er unter dem Rumpf beschaftigt, und dann kroch er hervor, fand einen weiteren Pflanzenfresser und kehrte wieder unter den Rumpf zuruck. Als er sein Werk beendet hatte, ging er um das Schiff herum, untersuchte alle Luken und stellte fest, da? sie von innen verschlossen waren.

Das uberraschte ihn weder, noch enttauschte es ihn. Ohne sich weiter aufzuhalten, kehrte er in seine Hohle zuruck, wobei er einige Schwierigkeiten hatte, sie im schwachen Sternenschein zu finden. Er errichtete sich ein Lager aus aufgehauftem Staub und versuchte, zu schlafen. Wie er erwartet hatte, gelang es ihm nicht.

Die Nacht verging unertraglich langsam. Beinahe bereute er, da? er sich in der vergangenen Nacht den Stand der Sterne eingepragt hatte, denn dadurch wu?te er jetzt, da? es noch lange dauern wurde, bis die ersten Sonnenstrahlen sich am Horizont zeigten.

Endlich war es soweit, und die Hugel, die das Tal saumten, gluhten im strahlenden Licht. Cunningham stand auf und streckte sich. Er war steif und spurte alle Muskeln, denn in einem Raumanzug schlaft man noch schlechter als auf einem Ziegelhaufen.

Als die Strahlen das Raumschiff erreichten und es in einen glanzenden Silbervogel verwandelten, offnete sich eine Luke.

Cunningham war uberzeugt, da? die Manner sich beeilen wurden, ihre Arbeit zu beenden. Sicher hatten sie genauso ungeduldig auf den Sonnenaufgang gewartet wie er. Darauf hatte er seinen Plan aufgebaut.

Malmeson stieg als erster aus der Luke, was Cunningham dem Gesprach der Manner entnahm, das er klar verstehen konnte.

Sein Gefahrte reichte ihm die Schwei?gerate aus der Luke.

Dann gingen sie beide zu der beschadigten Stelle. Offensichtlich bemerkten sie die Metallstucke nicht, die lose herumlagen.

Jedenfalls erwahnte Malmeson nichts davon, als er unter den Rumpf glitt und der andere Mann ihm die Gerate reichte.

Die Pflanzenfresser begannen, sich aus dem Sand zu wuhlen, als der Schwei?brenner aufflammte — gerade zur rechten Zeit, wie Cunningham zufrieden feststellte. Seine Ex-Assistenten konnten ihm keinen besseren Gefallen tun, als zu diesem Zeitpunkt mit der Arbeit zu beginnen. Er entfernte sich ein Stuck vom Eingang der Hohle, um sein Blickfeld zu erweitern, blieb jedoch im Schatten des Hugels. Aber minutenlang konnte er keine anderen Tiere als die Pflanzenfresser sehen.

Schon begann er zu furchten, da? die Gaste, die er eingeladen hatte, zu weit entfernt waren, um seinen Ruf zu vernehmen, aber dann sah er den langen, schwarzen Korper, der lautlos uber die Staubdunen auf das Schiff zukroch. Zufrieden lachelte er, und dann hob er erstaunt die Brauen, als er eine zweite schwarze Schlangenform sah, die der Spur der ersten folgte.

Rasch blickte er sich um und entdeckte noch vier weitere Monstren, die in halsbrecherischer Geschwindigkeit auf das Raumschiff zuglitten. Das Licht, das er entzundet hatte, schien mehr Augen erreicht zu haben, als er zu hoffen gewagt hatte.

Er war uberzeugt, da? die Manner bewaffnet waren, und hatte nie angenommen, da? sie von den Kreaturen uberwaltigt werden wurden. Er rechnete nur mit ihrer Verwirrung, die ihm genug Zeit lassen wurde, die offene Luke zu erreichen.

Er erhob sich und bereitete sich auf den Lauf vor, als Malmesons Gefahrte den ersten der nahenden Tausendfu?ler sah und Malmeson etwas zurief. Malmeson war kaum auf die Beine gekommen, als auch der zweite Tausendfu?ler die beiden Manner erreicht hatte. Im selben Augenblick trat Cunningham ins Sonnenlicht und legte seine ganze Kraft in jeden gleitenden Schritt, der ihn dem Ziel naher brachte.

Er fuhlte die Glut der Strahlen, und bevor er ein Drittel der Strecke zuruckgelegt hatte, war sein Raumanzug bereits unertraglich hei?. Aber auch seinen Ex-Assistenten durfte es in der Zwischenzeit einigerma?en hei? geworden sein. Denn zehn schwere Ungeheuer hatten auf die Ausstrahlung des so anziehenden Geruchs — oder war es fur sie eine Farbe? — reagiert.

Der Geruch oder die Farbe war entstanden, als Malmeson seinen Schwei?er auf das Metall angesetzt hatte, an dem Cunningham nachts seinen Metallstab angebracht hatte. Das metallische Blut war geschmolzen, und Malmeson lag mitten darin, als er versuchte, die Angreifer abzuwehren. Er hatte eine Flammenpistole, die den Kreaturen, deren Blut aus geschmolzenem Metall bestand, aber wenig anhaben konnte. Sein Gefahrte, der mit dem Schwei?brenner auf die Riesentausendfu? ler losging, war nicht viel besser dran. Sie zwangten sich zwischen den schwarzen, sich windenden Leibern hindurch auf die Luke zu, und keiner der beiden Manner sah Cunningham, der taumelnd naher kam. Er sah kaum mehr etwas durch sein Sichtfenster, das vom Dunst seines Schwei?es benebelt war, als er die Luke erreichte und darin verschwand.

Da er human veranlagt war, verschlo? er die au?ere Luke nicht. Aber er versperrte die innere, bevor er in den Kontrollraum trat. In aller Ruhe legte er seinen Raumanzug ab, und als er horte, wie die au?ere Tur zufiel, schaltete er den Strom ab, der den Schwei?brenner speiste. Jetzt war er sicher. Die Flammenpistole konnte der inneren Tur nicht gefahrlich werden. Er ging zum Funkgerat und gab mit ruhiger Stimme seinen Hilferuf durch. Dann schaltete er das Signallicht ein, damit die Rettungsmannschaft das Schiff finden konnte. Erst dann nahm er mit den beiden Mannern Verbindung auf und erzahlte ihnen, was er getan hatte.

„Ich wollte Ihnen ja nichts antun“, sagte Malmeson. „Ich wollte nur das Schiff haben. Ich wei?, Sie haben uns gute Lohne bezahlt, aber als ich dachte, wieviel Geld man auf einigen Planeten machen konnte, wenn man nach etwas anderem sucht als nach verruckten Bestien und Pflanzen, konnte ich nicht widerstehen.

Sie konnen uns jetzt in den Kontrollraum lassen. Ich verspreche, wir werden nichts mehr gegen Sie unternehmen.

Sie sagten, eine Rettungsmannschaft ist unterwegs?“

„Es tut mir leid, da? Ihnen mein Hobby nicht gefallt“, sagte Cunningham. „Ich finde es sehr amusant, und manchmal erweist es sich sogar als sehr nutzlich, wie zum Beispiel heute.

Ubrigens glaube ich, da? mir wohler sein wird, wenn ihr beide da drau?en bleibt. Ich hoffe, ihr habt genugend Verpflegung und Wasser in euren Raumanzugen mitgenommen, denn es kann einige Stunden dauern, bis das Rettungsschiff eintrifft.“

„Okay, Sie haben gewonnen“, sagte Malmeson.

„Das glaube ich auch“, erwiderte Cunningham und schaltete das Sprechgerat aus.

DER TROJANISCHE PUNKT

Eigentlich sollte die Galaxis ein perfektes Versteck sein. Hundert Milliarden Sonnen und hunderttausend Lichtjahre bilden einen riesigen Heuhaufen, in dem man eine mikroskopisch kleine Nadel von der Gro?e eines Menschen oder sogar eines Planeten nur unter gro?en Schwierigkeiten finden durfte. Eine Photographie der Milchstra?e gibt vielleicht Aufschlu? daruber, wie verwirrend es sein mu?, solche Sternenmassen durchzukammen.

Das war La Roques erster Eindruck von der Galaxis, und den hatte er nicht durch Photographien gewonnen. Zugegeben, er war an interplanetarische Fluge eher gewohnt als an interstellare.

Aber man konnte sich genausogut in einem Sonnensystem verirren wie zwischen mehreren. Und als es ihm zweckma?ig erschien, fur einige Zeit zu verschwinden, brauchte er nicht lange zu uberlegen.

Es war nicht allzu schwierig, ein Schiff zu bekommen, sogar auf legale Weise. Die Fluge zwischen den einzelnen Planeten des Sonnensystems gehorten langst zum Alltag, und Privatfluge wurden durch die ublichen Zollformalitaten kaum behindert.

La Roque hatte allerdings eine Reise vor, die noch privater war, als dies normalerweise ublich war.

Er erwarb ein Schiff. Das Ereignis, das seine Flucht ratsam erscheinen lie?, hatte ihn zu einem vermogenden Mann gemacht.

Es war ein kleines Schiff zweiter Ordnung, ein Metallei von siebzig Fu? Lange und drei?ig Fu? Breite. Das Schiff konnte sechshundert Tonnen Gewicht tragen und besa? alle Einrichtungen, die es zum interstellaren Flug mit Uberlichtgeschwindigkeit befahigten. Die Konverter verbrauchten Quecksilber, konnten aber genauso auf ein anderes Metall mit niedrigem Schmelzpunkt eingestellt werden.

La Roque zog es vor, in der Menge unterzutauchen, und so wahlte er fur seinen Abflug den stets uberfullten Flughafen Allahabad. Es war nach Mitternacht in einer warmen Julinacht, als er mit Hilfe eines Leitstrahls die Erdatmosphare verlie?.

Um ein Uhr war er au?erhalb des Leitstrahlbereichs, und nach einem Blick auf seinen Richtungsanzeiger ging er auf Uberlichtflug.

La Roque wu?te nicht mehr von Astronomie als jeder andere seiner Zeitgenossen, der uber eine durchschnittliche Bildung verfugte. Obwohl die Leuchtfeuer Rigel, Deneb und Kanopus von jedem Teil der Galaxis, den er mit seinem Schiff erreichen wurde, gesehen werden konnten, waren sie nutzlos fur ihn. Die einzige Vorrichtung, die ihm die Hoffnung auf eine eventuelle Ruckkehr zur Erde lie?, bestand in der Kamera, die jeden Sekundenbruchteil den Stand der Sterne photographierte. Aber auch dieser Vorteil wurde nutzlos, wenn er durch eine Region von geringer Sternendichte kam, die keine charakteristischen Sternkonstellationen bot, an denen er sich orientieren konnte.

Er war vernunftig genug, das zu erkennen, und behielt konsequent eine Richtung bei. Er war ziemlich sicher, einen bewohnbaren Planeten zu finden. Ein Stern ohne Planeten war eine Seltenheit. Welten, auf denen ahnliche Bedingungen wie auf der Erde herrschten, kamen nicht allzu oft vor, aber oft genug, so da? die Verabschiedung von Gesetzen gegen uneingeschrankte Kolonisation notwendig geworden war.

Nachdem er den ersten Schritt seiner Flucht getan hatte, uberdachte er die moglichen Aktivitaten des Gesetzes. Wenn er Gluck hatte, wurde es einen ganzen Monat dauern, bis man herausfand, warum er sich aus dem Staub gemacht hatte. Au?erdem wurde man sein Schiff erst in einiger Zeit vermissen, da er in Allahabad als Ziel Tau Ceti angegeben hatte. Und bis dorthin war es ziemlich

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